662 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes.
feuer die erregte Stadt. Die Bürger murrten laut, viele lebten ja von
den Professoren und Studenten; auf ihre dringenden Bitten wich der König
einen Schritt zurück und versprach, die Universität bereits im Sommer
wieder eröffnen zu lassen. Das genügte schon nicht mehr. Am 11. Febr.
tagte eine große Bürgerversammlung auf dem Rathause, drunten auf
dem Schrannenplatze stand das Volk Kopf an Kopf. Nach heftigen Reden
wurde beschlossen, sofort eine neue Bitte dem Monarchen vorzutragen,
die Masse drängte den Abgesandten zum Schlosse nach. Man fürchtete
das Argste, da der Pöbel durch die Bierkrawalle der jüngsten Zeit schon
an Unfug gewöhnt, auch über manche Roheit der Gendarmen erbittert
war. Endlich trat Fürst Wallerstein in das Portal des Schlosses und
verkündete, die Bitte sei genehmigt, die Vorlesungen an der Universität
sollten sofort wieder beginnen. Zugleich erzählte er den Umstehenden,
die Gräfin Landsfeld würde noch heute die Stadt verlassen. Unter wildem
Freudengeschrei eilte nun die Masse nach der Barerstraße, um Lolas Ab—
reise abzuwarten. Plötzlich ging der Torweg auf, und der Wagen der
Gräfin jagte in rasendem Laufe davon. Der enttäuschte Pöbel stürmte
sodann in die Villa und begann alles zu zerschlagen. Mit einem Male
kam der König und befahl kurz mit lauter Stimme: schonet mein Eigen—
tum! Augenblicklich ward alles still, die Häupter entblößten sich, einer
aus dem Haufen hub an: „Heil unserm König, Heil“, und die Masse
sang das Lied nach, derweil Ludwig schweigend hinwegschritt.
So schien der Spuk verflogen, der wüste Zigeunertanz beendigt.
Fromme Zeichendeuter erkannten schon den Finger Gottes, denn genau
am Jahrestage des Abelschen Memorandums hatte die Unholdin das
Feld räumen müssen. Alle Verständigen rechneten jetzt sicher auf inneren
Frieden; sie wußten im voraus, daß die leichtlebigen Münchener ihrem
Ludwig seine Wanderungen im Irrgarten der Liebe nicht splitterrichterlich
nachtragen würden; leicht und ohne Kleinsinn zu verzeihen, war ja von
jeher gut bayrische Art. Ludwig selbst dachte anders. Er hatte sich im
Herzen von seiner Lola noch nicht losgesagt und hoffte noch immer auf
ihre Wiederkehr; er empfand die gehässige Undankbarkeit seiner Mün—
chener sehr bitter und fühlte sich durch die abgezwungenen Zugeständnisse
so tief gedemütigt, daß er schon ernstlich die Frage erwog, ob er nicht
die Krone seinem in jeder Hinsicht kleineren Thronfolger überlassen
solle. Derweil er also noch mit sich selber kämpfte, kamen die Nachrichten
von der Pariser Revolution. München geriet abermals in Bewegung, das
schon erschütterte Ansehen des Thrones ward abermals bedroht, und in
blindem Unmut entschloß sich Ludwig ganz ohne Not zu der Abdankung,
die ein Unglück werden sollte für Deutschland und für Bayern. —
Von diesen doch fast zufälligen Verirrungen und Parteikämpfen konn-
ten sich die volksbeliebten Wittelsbacher immerhin bald wieder erholen.
Weit tiefer und nachhaltiger wurde das Ansehen des deutschen Fürsten-