Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Bekk. Trennung der Liberalen und Radikalen. 679 
bildeten endlich wieder einiges Vertrauen zu der Staatsgewalt gewannen 
— so weit dies in dem tief zerwühlten und zerklüfteten Lande noch mög— 
lich war. Ohne dies kurze versöhnende Regiment, das nur leider allzu 
spät eintrat, wäre Baden nach menschlichem Ermessen wohl schon im Früh— 
jahr 1848 ganz der Anarchie anheimgefallen. 
Bekks Regierung bewirkte, daß hier zuerst in Deutschland die liberale 
Partei sich von der radikalen abzulösen begann. überall sonst hatte man 
bisher alle, die dem herrschenden Systeme widerstrebten, ohne Unterschied 
zur Opposition gezählt. In Preußen wurden Dahlmann und Jacoby, 
Vincke und H. Simon noch allgemein als Gesinnungsgenossen angesehen, 
da die radikale Partei im Vereinigten Landtage gar nicht vertreten war, 
also noch nie Farbe bekannt hatte. Auch in Baden hatte der Liberalismus 
während der wilden Wahlkämpfe seine Bundesgenossen genommen, wo sie 
sich fanden: neben den erfahrenen Führern saßen jetzt im Landtage einige 
junge Demokraten, der gewandte Rabulist Brentano, der feurige Volks— 
redner Hecker, der noch von seinen Burschentagen her den Namen des 
Krassen führte, und andere. Sobald aber die Regierung selbst treu im 
Geiste der Verfassung zu handeln begann, da zeigte sich sofort, daß viele 
der gefürchteten älteren Kammerredner, die in Radowitzs Gesandtschafts— 
berichten fast allesamt als Demagogen erschienen, in Wahrheit sehr ge— 
mäßigte Ansichten hegten. Solange die Liberalen in einer aussichts— 
losen Opposition standen, hatten sie, begreiflich genug, oft über den Strang 
geschlagen. Jetzt gestand Bassermann, er sei des unfruchtbaren Wider— 
sprechens müde und würde sich freuen, eine ehrlich konstitutionelle Regie— 
rung zu unterstützen. Mathy aber sagte schon wenige Wochen nach dem 
Wahlkampfe von 1846: „das Volk ist bescheidener als jene Koterien, welche 
den Ausdruck seiner Gesinnungen bei den Wahlen zu fälschen bemüht 
waren.“ Auch Welcker war der Wüterich nicht, den die tiefbeleidigten 
Bundesgesandten verlästerten. Über die Gemeinplätze parlamentarischer 
Redner urteilt der ruhig Zurückschauende leicht ungerecht; Trivialität 
bleibt doch das sicherste Mittel, um einen politischen Gedanken zum Ge- 
meingute aller zu machen. Ohne die ewigen Wiederholungen der Kraftreden 
Welckers wäre die Überzeugung von der Unhaltbarkeit der alten Bundesver- 
fassung nicht so tief ins Volk gedrungen; über ein deutsches Parlament aber 
gingen die Wünsche des grimmigen Polterers selber nicht hinaus. Von 
den Neugewählten schloß sich vornehmlich der Mannheimer Anwalt v. Soi- 
ron, ein fähiger, beredter Jurist, diesem bürgerlichen Liberalismus an. 
Von der anderen Seite her eröffnete Struve den Streit, der bald 
mit der ganzen Gehässigkeit verfeindeter Brüder geführt wurde. Verbittert 
durch seinen langen Kampf gegen den Muster-Zensor hatte Struve sich 
dem wilden Radikalismus angeschlossen und donnerte nunmehr in seiner 
neuen Zeitschrift, dem Deutschen Zuschauer wider „die Halben“, 
die Paradehelden, die Kammermandarinen. Seine „Ganzen“ fanden
	        
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