Bekk. Trennung der Liberalen und Radikalen. 679
bildeten endlich wieder einiges Vertrauen zu der Staatsgewalt gewannen
— so weit dies in dem tief zerwühlten und zerklüfteten Lande noch mög—
lich war. Ohne dies kurze versöhnende Regiment, das nur leider allzu
spät eintrat, wäre Baden nach menschlichem Ermessen wohl schon im Früh—
jahr 1848 ganz der Anarchie anheimgefallen.
Bekks Regierung bewirkte, daß hier zuerst in Deutschland die liberale
Partei sich von der radikalen abzulösen begann. überall sonst hatte man
bisher alle, die dem herrschenden Systeme widerstrebten, ohne Unterschied
zur Opposition gezählt. In Preußen wurden Dahlmann und Jacoby,
Vincke und H. Simon noch allgemein als Gesinnungsgenossen angesehen,
da die radikale Partei im Vereinigten Landtage gar nicht vertreten war,
also noch nie Farbe bekannt hatte. Auch in Baden hatte der Liberalismus
während der wilden Wahlkämpfe seine Bundesgenossen genommen, wo sie
sich fanden: neben den erfahrenen Führern saßen jetzt im Landtage einige
junge Demokraten, der gewandte Rabulist Brentano, der feurige Volks—
redner Hecker, der noch von seinen Burschentagen her den Namen des
Krassen führte, und andere. Sobald aber die Regierung selbst treu im
Geiste der Verfassung zu handeln begann, da zeigte sich sofort, daß viele
der gefürchteten älteren Kammerredner, die in Radowitzs Gesandtschafts—
berichten fast allesamt als Demagogen erschienen, in Wahrheit sehr ge—
mäßigte Ansichten hegten. Solange die Liberalen in einer aussichts—
losen Opposition standen, hatten sie, begreiflich genug, oft über den Strang
geschlagen. Jetzt gestand Bassermann, er sei des unfruchtbaren Wider—
sprechens müde und würde sich freuen, eine ehrlich konstitutionelle Regie—
rung zu unterstützen. Mathy aber sagte schon wenige Wochen nach dem
Wahlkampfe von 1846: „das Volk ist bescheidener als jene Koterien, welche
den Ausdruck seiner Gesinnungen bei den Wahlen zu fälschen bemüht
waren.“ Auch Welcker war der Wüterich nicht, den die tiefbeleidigten
Bundesgesandten verlästerten. Über die Gemeinplätze parlamentarischer
Redner urteilt der ruhig Zurückschauende leicht ungerecht; Trivialität
bleibt doch das sicherste Mittel, um einen politischen Gedanken zum Ge-
meingute aller zu machen. Ohne die ewigen Wiederholungen der Kraftreden
Welckers wäre die Überzeugung von der Unhaltbarkeit der alten Bundesver-
fassung nicht so tief ins Volk gedrungen; über ein deutsches Parlament aber
gingen die Wünsche des grimmigen Polterers selber nicht hinaus. Von
den Neugewählten schloß sich vornehmlich der Mannheimer Anwalt v. Soi-
ron, ein fähiger, beredter Jurist, diesem bürgerlichen Liberalismus an.
Von der anderen Seite her eröffnete Struve den Streit, der bald
mit der ganzen Gehässigkeit verfeindeter Brüder geführt wurde. Verbittert
durch seinen langen Kampf gegen den Muster-Zensor hatte Struve sich
dem wilden Radikalismus angeschlossen und donnerte nunmehr in seiner
neuen Zeitschrift, dem Deutschen Zuschauer wider „die Halben“,
die Paradehelden, die Kammermandarinen. Seine „Ganzen“ fanden