Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

680 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes. 
Bundesgenossen an dem jungen Demagogen Karl Blind und vielen 
fremden Agenten, deren das Grenzland sich schwer erwehren konnte. Zu— 
gleich ward der Abhub der Schweizer und der Pariser Presse Tag für 
Tag über den Rhein gefahren. Das französische Kommunistenschimpfwort 
Bourgeois klang auch in Baden wieder, wo es doch gar keinen Sinn hatte, 
und auf einer radikalen Volksversammlung zu Offenburg (Sept. 1847) 
wurde außer den längst landesüblichen Volkswünschen auch schon die For— 
derung aufgestellt: Ausgleichung zwischen Kapital und Arbeit. Eine soziale 
Bewegung kündigte sich an. Völlig hoffnungslos sprach Radowitz über 
„die ganz infizierte Atmosphäre“ dieses Landes. Unheil erwartete er auch 
von den soeben wieder zugelassenen Freimaurerlogen, die allerdings in 
Baden, wie in allen katholischen Ländern, dem kirchlich-politischen Libera— 
lismus weit näher traten als im protestantischen Norden; dies konnte der 
König, nach den Traditionen seines Hauses, freilich nicht ruhig hinnehmen, 
und er rügte scharf: „Welche krasse Unkenntnis der wahren Tendenz der 
Maurerei!! Wer sie kennen lernen will, trete in sie ein !“*) Nach mannig- 
fachen Händeln und Versöhnungsversuchen maßen sich die beiden Parteien 
endlich im offenen Kampfe, bei den Ergänzungswahlen im Herbst 1847. 
Struve unterlag, mit ihm einige seiner radikalen Freunde. 
So begann die längst schon gebotene Klärung des Parteiwesens, auch 
sie leider viel zu spät, um die deutsche Nation noch rechtzeitig zu belehren. 
Niemand litt unter dem Windzuge dieser neuen Zeit schwerer als der alte 
Adam v. Itzstein, der so lange alle Kräfte der Opposition mit diploma- 
tischer Kunst zusammengehalten hatte. Jetzt mußte er die tüchtigsten 
Männer seiner Gefolgschaft rechts abschwenken sehen, während ihn selber 
die Wucht der tausendmal wiederholten radikalen Phrase nach links hin- 
überzog. Fortan war er ein toter Mann. Die Schärfe der neuen Partei- 
gegensätze zeigte sich noch einmal grell in den ersten Wochen des Jahres 
1848, als die drei größten Fabriken des Landes in Waghäusel, Ettlingen, 
Karlsruhe durch den Sturz des großen Bankhauses Haber und andere 
Unglücksfälle schwer gefährdet wurden und die Regierung vorschlug, ihnen 
durch eine Staatsunterstützung zu Hilfe zu kommen. Da verwendete sich 
Mathy, der vor kurzem noch so gefürchtete Demagog, lebhaft für den 
Antrag der Minister; Hecker aber überreichte eine Petition von 63 Ar- 
beitern, welche Macht gegen Macht den 63 Abgeordneten entgegentraten 
und sich jede Begünstigung des Großkapitals trutzig verbaten. Unterdessen 
berieten die Liberalen über die Zukunft des Deutschen Bundes. An dem 
nahen Zusammenbruche zweifelte niemand mehr, aber niemand wußte 
auch einen sicheren Weg der Rettung. Nur der eine Gedanke, den Welcker 
schon vor anderthalb Jahrzehnten in dieser Kammer ausgesprochen hatte, 
schien allen unzweifelhaft: ohne die Mitwirkung populärer Kräfte konnte 
  
*) Radowitzs Berichte, 4. Jan., 6. Aug. 1847.
	        
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