Bassermanns Antrag. du Thil. 681
der Bundestag nicht mehr bestehen. Noch war die Revolution nicht aus—
gebrochen, da begründete am 12. Febr. 1848 Bassermann mit einer tief
ergreifenden Rede seinen Antrag auf Berufung des deutschen Parlaments:
„Der Weltfriede steht auf zwei Augen. An der Seine und an der Donau
neigen sich die Tage, und nur das Gute und das Rechte sind die Träger
aller Herrschaft.“ —
Mit freundnachbarlichem Groll betrachtete der dauerhafteste aller
deutschen Minister, du Thil, diese Badener, die ihm namentlich durch
die freche Mannheimer Presse sein stilleres Hessenland beständig aufwiegel-
ten. Seit die Demagogenverfolgung endlich abgeschlossen war, regierte er
ruhig in seiner alten Weise, verständig, ehrlich, sorgsam, aber im streng-
sten bureaukratischen Geiste. Es war ihm gelungen, das dem Südwesten
eigentümliche System des Beamten-Parlamentarismus zur denkbar höch-
sten Ausbildung zu vervollkommnen. Im Jahre 1845 befanden sich unter
den 50 Abgeordneten der zweiten Kammer 34 Staats= und 8 Gemeinde-
Beamte; und da die Amtsdisziplin in Hessen weit kräftiger gehandhabt
wurde als in Baden, so konnten die unglücklichen acht titellosen Volksver-
treter wenig ausrichten. In der deutschen Politik, zumal in den Zoll-
vereinshändeln hielt sich du Thil immer treu auf Preußens Seite. Selbst
der liberale Hofprediger Zimmermann gewann sich den Beifall des Königs
von Preußen, da er im Gustav-Adolf-Vereine für die Ausschließung des
Freidenkers Rupp stimmte; und als dem Prälaten darauf „von einigen
Lichtscheuen“ durch die Post eine tote Fledermaus zugesendet wurde,
da befahl Friedrich Wilhelm: „Diese Anekdote muß in die Zeitung
kommen, mit einem kurzen Wort über die Würdigkeit des Handelns und
der Gesinnung der Pro-Ruppianer.“ ?)
Leicht wurde dem klugen Minister seine preußische Haltung nicht.
Denn Prinz Emil, der ungleich begabtere Bruder des wohlmeinenden Groß-
herzogs Ludwigs II. hegte als alter napoleonischer General einen natür-
lichen Widerwillen gegen das preußische Heer, zumal gegen dessen ersten
Mann, den Prinz von Preußen. Mußte es sein, so wollte der hochkonser-
vative Prinz sein Rheinbundsland immer noch lieber in Österreichs Obhut
geben. Auch russische Ränke ließen sich spüren, seit die Prinzessin Marie
den Großfürsten-Thronfolger geheiratet hatte. Der erklärte Günstling des
Prinzen Emil, der rohe, ungebildete, im Stalle aufgewachsene, aber energi-
sche und gescheite Prinz August Wittgenstein, der selber einem halbrussi-
schen Geschlechte angehörte, vertrat bei Hofe mit Eifer die moskowitisch-
reaktionären Gedanken. Hier allein und im nahen Nassau, dessen junger
Herzog Adolf kürzlich eine Großfürstin heimgeführt hatte, behauptete Zar
Nikolaus einige Macht, während der preußische Schwager allen Warnun-
gen taub blieb und die anderen deutschen Höfe allesamt dem Petersburger
*) Bockelbergs Bericht, 2. Nov. 1845, mit Randbemerkung.