Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

686 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes. 
welches Wespennest er gestochen hatte. Nassau wollte wohl die kleinen 
Spielhöllen in Schlangenbad und Schwalbach preisgeben, die große in 
Ems aber sollte fortbestehen, solange die Homburger dauere. Baden 
und Homburg wiesen das Ansinnen entrüstet zurück; vorher müßten erst 
alle Lottos und Staatslotterien vom deutschen Boden getilgt werden.“) 
Das Ende des mehrjährigen Zankes war, daß eine einzige der größeren 
deutschen Spielbanken unterging, die Köthener; und sie starb eines na— 
türlichen Todes, da das Land nach dem Erlöschen der Köthener Linie 
(1847) mit Dessau vereinigt wurde. Also verschwand das historisch merk— 
würdigste der deutschen Fürstentümer, das in seltener Vollständigkeit sämt— 
liche Reize germanischer Kleinstaaterei entfaltet hatte. Was war hier nicht 
alles binnen vierzig Jahren geleistet worden: erst der Moniteur de l'Em-— 
pire Anhaltin-Coethien, dann der große Schmuggelkrieg gegen Preußen, 
dann die Jesuitenstation mitten im altprotestantischen Lande, dann endlich 
die Spielbank; mehr konnten die Lobredner deutscher Vielherrschaft un— 
möglich verlangen. 
In solcher Nichtigkeit schleppten sich die Frankfurter Dinge dahin. 
Der Bundestag ist eine Leiche, ein Gaukelspiel, er ist der Indifferenzpunkt 
der deutschen Politik — so hieß es übereinstimmend in den Berichten der 
großen wie der kleinen Gesandten. Metternich aber, dem doch dieser Bund 
ganz unschätzbar sein mußte, fuhr fort, die Versammlung in der Eschen— 
heimer Gasse mit der äußersten Geringschätzung zu behandeln. Dem 
Grafen Münch rechneten seine Amtsgenossen nach, daß er von den 23 
Jahren seiner Präsidentschaft 13 in Wien, nur 10 in Frankfurt verbracht 
hatte, und für die jüngste Zeit stellte sich die Rechnung sogar noch un— 
günstiger. Allerorten in Deutschland — so gestanden die Bundesgesandten 
selber — ward über die Zukunft des Vaterlandes gesprochen, nur nicht 
in Frankfurt. Ein Rausch der Feste ging durch das deutsche Land, das 
doch zu jubeln so wenig Ursach hatte. Wie zur selben Zeit die schicksals— 
verwandten Italiener, so suchten die Deutschen in unzähligen brüderlichen 
Zusammenkünften ihrer nationalen Einheit froh zu werden. Den Natur- 
forschertagen folgten die Zusammenkünfte der Philologen, der Landwirte, 
der Anwälte, der Sänger, der Schriftsteller. Uberall wurde die neue Tri- 
kolore Schleswigholsteins mit Frohlocken begrüßt; und auch die vom Bun- 
destage verschmähte schwarzrotgoldene Fahne tauchte trotz der Verbote 
immer wieder auf, sie galt schon allgemein als das nationale Banner. 
Von lang nachwirkender Bedeutung waren unter diesen Versammlungen 
nur die beiden, zuerst durch den Schwaben L. Reyscher angeregten Ger- 
manistentage, die in Frankfurt 1846, ein Jahr darauf in Lübeck zusammen- 
traten. Sie wurden als „geistiger Landtag des deutschen Volks“ gepriesen, 
denn hier vereinigte sich die Blüte des Professorentums, das neuerdings 
  
*) Dönhoffs Berichte, 7. Jan. 1845 ff.
	        
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