696 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes.
den bewährten Künsten österreichischer Anbiederung die preußischen Bun—
desreformpläne und zugleich den Krakauer Streit zu beseitigen.*)
Aber noch während Werner am preußischen Hofe verweilte, ließ Canitz
durch ein Rundschreiben vom 4. April 1847 allen deutschen Regierungen
den längst vorbereiteten Entwurf für ein Bundespreßgesetz zugehen. Da
er die bundesgesetzliche Zensur in Preußen schlechterdings nicht mehr auf—
rechthalten wollte und doch einsah, daß Österreich, Hannover, Kurhessen
sich zu einer solchen Reform nie freiwillig entschließen würden, so lautete
der § 1 seines Entwurfs ganz bescheiden: „Jedem deutschen Bundesstaate
wird freigestellt, die Zensur aufzuheben und Preßfreiheit einzuführen.“
Dann wurden die „Garantien“ aufgezählt, welche die zur Preßfreiheit
entschlossenen Staaten ihren Bundesgenossen zu geben hätten: ein strenges
Konzessionswesen für Buchdrucker und Zeitungsherausgeber, harte Strafen
für Preßvergehen, endlich noch ein rechtsgelehrtes Bundessyndikat, das
nach freiem Ermessen gemeingefährliche Schriften für ganz Deutschland
verbieten sollte. Wie ängstlich auch diese Beschränkungen erscheinen moch-
ten, die Aufhebung der Zensur war doch, wenn sie gelang, eine entscheidende
Tat; denn daß die übrigen Staaten, außer OÖsterreich, dem guten Bei-
spiel Preußens bald folgen mußten, lag auf der Hand. Am Bundestage
zeigten sich Sachsen, Baden, Weimar, selbst das konservative Darmstadt
günstig gestimmt. Mit besonderem Eifer ging Württemberg auf die preu-
ßischen Vorschläge ein. König Wilhelm hatte sich, wie er dem Grafen
Dönhoff gestand, durch die leidenschaftlichen Klagen seines Landtags von
der Unmöglichkeit der Zensur endlich überzeugen lassen; als erfahrener
Soldat räumte er den verlorenen Posten und nahm das zornige Nie-
mals! das er vor kurzem erst der Preßfreiheit entgegengeschleudert hatte,
entschlossen zurück.') Er forderte nunmehr Aufhebung der Zensur und
Einführung des Repressivsystems in ganz Deutschland.
Aber wieder scheiterte alles an dem bösen Willen der Hofburg. Selt-
sam, wie die Gedanken in dem Kopfe des alternden Staatskanzlers sich
mehr und mehr verwirrten. Metternich pflegte gerade in diesen Tagen,
da ihn die italienischen Unruhen lebhaft beschäftigten und die Franzosen
sein Kaiserreich als eine italienische Macht bezeichneten, nachdrücklich und
nicht ohne Gereiztheit zu versichern: „OÖsterreich ist ein Reich, das unter
seiner Herrschaft Völker von verschiedener Nationalität umfaßt, aber als
Reich hat es nur eine Nationalität. OÖsterreich ist deutsch“, so sagte er
zum Grafen Arnim, „deutsch durch die Geschichte, durch den Kern seiner
Provinzen, durch seine Zivilisation.““) Gleichwohl wähnte er, diese
deutsche Macht erfülle ihre Pflichten gegen Deutschland am sichersten durch
vollkommene Untätigkeit. Sein getreuer Münch schob die Verhandlung über
7) S. o. V. 553.
**) Dönhoffs Bericht, 15. Aug. 1847.
“) Graf Arnims Bericht, 20. Juli 1847.