706 V. 10. Vorboten der europäischen Revolution.
Koburg, um seinem Neffen die Hand ihrer Tochter förmlich anzubieten.
Trat der junge Koburger nunmehr rasch entschlossen als Freiwerber auf,
so konnte ihm der Sieg nicht fehlen. Palmerston aber hegte noch von
den orientalischen Händeln her einen unversöhnlichen Haß gegen Ludwig
Philipp und Guizot. Auf das Haus Koburg gab er nichts; der Prinz—
gemahl war ihm eher widerwärtig, weil dessen höfischer Einfluß doch zu—
weilen die Allmacht des Kabinetts zu beeinträchtigen drohte, und so schien
ihm auch der koburgische Heiratskandidat als naher Verwandter Ludwig
Philipps hochverdächtig. Er wollte Frankreich bekämpfen, um jeden Preis,
und, gewohnt wie er war, nur mit dem nächsten Augenblicke zu rechnen,
sprach er sich entschieden für den Herzog Heinrich von Sevilla aus, weil
dieser zur Zeit von der englisch-progressistischen Partei unterstützt wurde.
Dergestalt ward Englands Diplomatie gelähmt, das königliche Haus und
das Auswärtige Amt verfolgten verschiedene Ziele; und alsbald zeigte sich,
wie wenig die britische Krone für sich allein noch vermochte. Gegen Pal—
merston und Ludwig Philipp zugleich wagten die Koburger nicht vorzu—
gehen; nach langen Familienberatungen wurde Herzog Ernst bevollmäch—
tigt, der Königin Mutter zu erwidern, daß die koburgische Heirat ange—
sichts der französischen Feindschaft nicht ratsam scheine. Also war Prinz
Leopold beseitigt, der doch vielleicht vermocht hätte, ein äußerlich an—
ständiges Hauswesen am Madrider Hofe zu begründen und das tief ge—
sunkene Ansehen des spanischen Königtums etwas zu heben.
Zum ersten Male seit die Koburger die Politik der gesegneten Hy—
menäen trieben, mußten sie einen fein eingefädelten Hochzeitsplan auf-
geben; entscheidend war, daß der altbewährte Ehestifter des Hauses, König
Leopold, im Wettstreite mit Frankreich seine untrüglichen Vermittlungs-
künste nicht frei entfalten durfte. Aber auch Palmerston erlitt fast im
selben Augenblick eine Niederlage. Mit brutaler Rücksichtslosigkeit hatte
er der jungen Isabella einen Gatten seiner Wahl aufzuzwingen gedacht;
doch beide Königinnen erklärten wie aus einem Munde, von dem Rebellen
Heinrich von Sevilla wollten sie nichts hören. Mithin blieb nur noch
der lächerlichste der drei Freier übrig, Ludwig Philipps Kandidat, Franz
von Cadix; und nun enthüllte sich erst das allerschmutzigste Geheimnis
dieser schmutzigen Händel. Der Jämmerling Franz, wie Isabella ihn
nannte, konnte niemals auf Nachkommenschaft hoffen, schon der schrille
Klang seiner Fistelstimme war der jungen Königin unerträglich. Ebendes-
halb hatte ihn Ludwig Philipp auserkoren. Isabellas Ehe sollte kinderlos
bleiben, damit nachher ihre Schwester Luise und die Nachkommen Montpen-
siers die Krone erhielten. Dies üppige, von Sinnenlust glühende, blut-
junge Weib, die Tochter einer Marie Christine, an einen Mann, der kein
Mann war, anzuschmieden — zu einer solchen Teufelei hatten sich der
ehrbare Bürgerkönig und sein tugendhafter Minister Guizot entschlossen.
Sie siegten. Im Oktober 1846 wurde Isabella dem Infanten Franz