Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Reformen in Piemont. 723 
daneben kaum ins Gewicht, folglich mußte der Kardinal-Staatssekretär, der 
entschlossene, scharf verständige, klerikale Antonelli für sich allein mehr 
bedeuten als alle Laien-Minister insgesamt. Auch ein schwacher Anlauf 
bündischer Politik wurde gewagt. Im Oktober 1847 vereinbarten sich die 
Höfe von Rom, Turin und Florenz — die drei Reformstaaten, wie man 
sie hoffnungsselig nannte — vorläufig über die Bildung eines Zollver- 
eins, und Palmerston, der alte Feind des deutschen Zollvereins ließ diese 
Verhandlungen durch Minto kräftig fördern — immer unter der Vor- 
aussetzung, daß die Verbündeten die allein wahren Grundsätze des Frei- 
handels annähmen. Er sah in dem Plane zunächst nur einen Schachzug 
gegen Frankreich und Osterreich, er hoffte sodann, dem englischen Handel 
ein neues Absatzgebiet zu gewinnen, da die Großindustrie Italiens noch 
weit hinter der deutschen zurückstand. Der Zollverein konnte aber nur 
dann ins Leben treten, wenn auch das mitteninne liegende Modena sich 
anschloß. Metternich gab alsbald eine deutliche Antwort; er schloß im 
Dezember mit Modena, dann auch mit Parma einen Vertrag, kraft dessen 
OÖsterreich jederzeit bei drohender Gefahr die beiden Herzogtümer besetzen 
durfte. Befriedigt schrieb er nach Berlin: „wir haben die Form eines 
Verteidigungsbündnisses gewählt, um das von den Kabinetten so streng 
verdammte Wort Intervention zu vermeiden.“ Zudem blieb der Groß- 
herzog von Toskana trotz seiner liberalen Anwandlungen doch immer ein 
unschädlicher Erzherzog, die Bourbonen von Neapel waren durch den ge- 
heimen Vertrag von 1815 verpflichtet, an dem absoluten Königtum nichts 
zu ändern, und auch Karl Albert von Piemont hatte einst in den Tagen der 
Bedrängnis gelobt, seinem Lande niemals eine Verfassung zu gewähren. 
Wie leicht konnten diese künstlichen Stützen der Fremdherrschaft zu- 
sammenbrechen. Die nationale und die liberale Idee begannen sich zu 
verbünden, und wie stark dies junge Bündnis schon war, das erfuhr der 
Staat, der Italiens Zukunft trug, der einzige, den die Hofburg fürchtete, 
Piemont. Halb Mönch halb Soldat, nach seiner Herzensneigung hoch- 
kirchlicher Legitimist und doch begeistert für Italiens Einheit, bedroht von 
der Schokolade der Jesuiten und dem Dolche der Demagogen, schwankte 
der König Zauderer Karl Albert lange, bis er sich entschloß, den Namen 
des Königs von Italien, den ihm einst die österreichischen Offiziere höhnend 
zugerufen hatten, zu Ehren zu bringen. In vielem dem ungleich geist- 
volleren Friedrich Wilhelm ähnlich, besaß er doch, was dem Hohenzollern 
fehlte, starken dynastischen Ehrgeiz, und angesichts der drohenden Weiß- 
röcke dicht an seiner Grenze, konnte er sich nicht wie jener in holdem 
Wahne über Österreichs Gesinnung täuschen. Im Oktober 1847 entließ er 
den hochkonservativen Minister Solaro, gewährte den Kommunen die Wahl 
ihrer Gemeinderäte und der Presse, nach preußischem Muster, freiere Be- 
wegung. Unermeßlicher Jubel begrüßte diese „albertinischen Reformen“, 
denn jede Reform in Piemont war ein Schlag gegen Österreich. 
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