732 V. 10. Vorboten der europäischen Revolution.
Sonderbundes und erzwangen sich den Einmarsch in Luzern durch ein
kurzes Gefecht an der Reußbrücke bei Gislikon (23. Nov.); darauf wurden
die Urkantone besetzt, endlich auch das Wallis unterworfen. Das alles
war das Werk weniger Tage. über alle Erwartung schwach zeigte sich
die Widerstandskraft des Sonderbundes, nach so mächtigem Parteigetöse;
er verlor in den sämtlichen kleinen Gefechten dieses kurzen Krieges nur
50 Tote und 175 Verwundete, die Sieger nahezu das Doppelte. Die
unbeschränkte Kantonalsouveränität hatte keine Wurzeln mehr im Volke;
in den großen Verhältnissen des modernen Verkehrs erschien der heimische
Kanton selbst den Urner und Schwyzer Bauern klein und eng, sie wollten
für diese versinkende Gewalt nichts mehr opfern. Die nationale Idee
siegte auch mit geistigen Waffen; die sittliche Ohnmacht des Partikularismus
wurde hier so unwiderleglich erwiesen, wie späterhin im Mainfeldzuge des
Jahres 1866. Einige der alten ruhmreichen Herrengeschlechter der Schweiz,
die Salis, Kalbermatten, Courten versuchten im Heere des Sonderbundes
noch einmal eine Rolle zu spielen. Doch ihre Zeit war vorüber; das
Kriegsglück war ihnen nicht mehr hold. Am wenigsten dem unfähigen
Oberbefehlshaber, dem Protestanten Salis-Soglio und seinem Adjutanten,
dem Landsknecht Friedrich Schwarzenberg.
Nach dem Siege konnte der wackere Dufour den wilden kirchlichen
Haß, der in dem politischen Kampfe mitwirkte, doch nicht überall bändigen;
in Freiburg zumal wurden Kirchen und Klöster mit bilderstürmerischer
Wut geschändet und geplündert. Manchen der siegreichen protestantischen
Kantone erschien dieser Krieg wie eine Vergeltung für die Niederlage,
welche die Sonderbundskantone vormals dem Reformator Zwingli bereitet
hatten; so zäh wurden hier dreihundertjährige Erinnerungen bewahrt.
Darun ließen sich die Züricher von den geschlagenen Luzernern die einst auf
dem Schlachtfelde von Kappel erbeuteten Waffen Zwinglis wieder ausliefern
Im Vergleich mit anderen Bürgerkriegen erschien die gewalttätige Roheit
der Sieger doch nicht unerträglich und nach kurzer Zeit war die Ordnung
überall wieder gesichert. Unter dem Schutze der eidgenössischen Bajonette
wurden nunmehr in allen Kantonen des Sonderbundes neue Wahlen
vollzogen. Die also wiederhergestellte Tagsatzung bestand fast durchweg
aus Radikalen, sie beschloß sofort, ohne daß der Papst zu widersprechen
wagte, die 274 schweizerischen Jesuiten aus dem Lande zu weisen, und
begann sodann an der Reform der Bundesverfassung zu arbeiten.
Wie lächerlich erschien jetzt, nachdem die Entscheidung längst gefallen
war, dic endlich vereinbarte Vermittlungsnote der großen Mächte, die am
7. Dez. überreicht wurde. Palmerston hatte seinen Zweck erreicht und
erlaubte sich zuletzt noch einen seiner boshaften Scherze. Der große Elchi
aus Pera, Lord Stratford Canning war mittlerweile als außerordentlicher
Bevollmächtigter in der Schweiz erschienen und bemühte sich mit englischer
Sittsamkeit, einerseits die Gesandten der Großmächte milder zu stimmen,