Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

738 V. 10. Vorboten der europäischen Revolution. 
aus dem Sonderbundskriege bestimmt. Aber indem der König die 
Zahlung dieser Buße genehmigte, hob er doch selbst seine Neutralität 
tatsächlich auf und stellte seinen fürstlichen Kanton wieder unter die 
Obergewalt der Tagsatzung. Gleich darauf, zu Weihnachten 1847, reiste 
der Gouverneur Pfuel heim; der letzte Preuße verließ das Land, und 
sogar der hannoversche Gesandte Knyphausen, der ganz auf Seiten der 
preußischen Krone stand, fand eine solche freiwillige Unterwerfung „wenig 
ruhmvoll“.*) 
Leider entsprach auch die Haltung des preußischen Volkes während 
dieser Wirren seinem alten Rufe nicht. In einer monarchischen Nation 
muß jeder fühlen: meines Königs Ehre ist die meine; sonst bricht der 
Thron in Stücke. Von diesem Schweizerländchen aber wußte die große 
Mehrzahl der Preußen gar nichts. Die liberale Presse beeiferte sich, die 
einfache Sachlage durch staatsrechtliche Bedenken zu verwirren, da der 
Kanton ja nur dem Königshause, nicht dem preußischen Staate angehörte; 
und nachdem der Monarch so blindlings für den Sonderbund Partei ge— 
nommen, verbreitete sich überall die törichte Meinung, die treuen prote— 
stantischen Neuenburger seien Jesuitenknechte. Nicht bloß die Königsberger 
Radikalen jubelten den Siegern von Gislikon zu; auch in Berlin spotteten 
Varnhagen und alle Aufgeklärten über den pfaffenfreundlichen König, ein 
Witzbild stellte ihn mit einem Jesuiten zusammengebunden dar. Daß 
Republikaner einem Fürsten gegenüber immer recht haben müßten, galt 
in diesen ruhigen Tagen für ausgemacht. Ein ritterlicher Zorn über 
die dem Hause Hohenzollern und mithin auch dem preußischen Volke be— 
reitete Demütigung zeigte sich nur in engen Kreisen. 
Derweil der König also an Ort und Stelle gar nichts tat, um seine 
fürstlichen Rechte zu verteidigen, träumte er noch immer von der Ein— 
mischung aller legitimen Mächte. Der große europäische Kongreß in Neuen— 
burg, der die Eidgenossen friedlich zu ihrer alten Bundesverfassung zurück— 
führen sollte, erschien ihm als der Anker der Rettung; und wie sollten 
solche Pläne jetzt noch gelingen, nachdem die Sonderbundskantone sich 
bereits ergeben und der radikalen Mehrheit gehorsam angeschlossen hatten? 
In leidenschaftlichen Briefen an Bunsen verlangte er den Beistand der 
großen Mächte, zumal des geliebten Englands, damit ihm sein Neuenburg 
erhalten bliebe; sonst würde er „kompromittiert“. Daß er schon längst 
kompromittiert war, fühlte er nicht. Auch durch höchst unvorsichtige ver— 
trauliche Briefe suchte er die Königin Victoria und den Prinzen Albert 
zu gewinnen. „J°7 joue cartes sur table“, sagte er einmal, „das tut 
aber nicht gut außer mit seinesgleichen;“*) und doch konnten fürstliche 
Schreiben solchen Inhalts nach englischem Hofbrauche dem feindseligen 
  
*) Knyphausens Bericht, 26. Dez. 1847. 
*7*) König Friedrich Wilhelm an Bunsen, 13. April 1847.
	        
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