6 I. Urgeschichte Schwabens und Württembergs.
im Frankenreich, und der Einfluß der christlichen Religion auf die Alemannen
konnte nicht ausbleiben. Zwar wurde ihnen die neue Religion nicht aufgezwungen,
aber durch den wechselseltigen Verkehr schuf sich das Christenthum nach und nach
Boden und Anhang in Alemannien. So sagt der Geschichtschreiber Agathias im
6. Jahrhundert: „Durch den Verkehr mit den Franken werden die Einsichts-
volleren unter den Alemannen zum Christenthum herbeigezogen und in nicht sehr
langer Zeit dürften wohl alle für dasselbe gewonnen sein“. Um dieselbe Zeit
wurde ein Bischofssitz in Konstanz errichtet, zu dem später zwei Drittel
unseres Landes gehörten. Auch beelnflußten wohl die Bisthümer Speier, Worms,
Straßburg, Augsburg damals schon unser Schwabenland. Außerdem waren die
Alemannen durch die Stürme der Völkerwanderung mit dem Christenthum in
Berührung gekommen.
Alles dies diente jedoch eigentlich nur zur Vorbereitung. Die durch-
greifende Christianisirung Alemanniens und Frankens fand
erst im 7. und 8. Jahrhundert statt, und zwar durch irische Mis-
sionare. Am schnellsten brach sich die Misston in den Gegenden Bahn, wo
schon früher christliche Stiftungen bestanden hatten, also gerade in den Rhein-
und Donauländern, in Alemannien. Gefördert und gehemmt wurde das
Werk durch den selbstsüchtigen Schutz der Frankenherrscher. Hei-
denthum und nationale Freiheit, Christenthum und Franken-
herrschaft traten überall als unzertrennliche, in innigster Wech-
selbeztehung stehende Dinge auf1). Eins stand und fiel mit dem
andern. Das Schwertder Franken sollte dem Christenthum den
Weg bahnen, und der Erfolg der Predigt sollte eine Brücke oder
Unterstützung für die politische Unterwer fung sein. So wurden
politische und religlöse Interessen gleich von Anfang an mit-
einander vermischt, undnicht alle Bischöfe waren so fest, daß sie
sich der Verwendung zu politischen Zwecken mit Erfolg wider-
setzt hätten.
Als erster Apostel Alemanniens wird Fridolin, der Stifter des Klosters
Säckingen auf einer Rheininsel oberhalb Basel, genannt (um 510). Genauere
Nachrichten als über diesen haben wir über Columban, der sich mit 12 Ge-
fährten in den Vogesen niederließ, ein Kloster gründete (Luxeuil), aber nach
etwa 20 Jahren verjagt wurde (609). Nun wirkte er mit seinem tüchtigen Schüler
Gallus im Kanton Zürich, von wo dleser nach einigen Jahren an den Bodensee
zog, um dort das Werk der Heidenbekehrung fortzusetzen. Gallus ist der Gründer
des berühmten Klosters St. Gallen, dem von den Großen Alemanniens bedeu-
tende Geschenke an Ländereien bis in die Nähe von Cannstatt gemacht wurden.
Von Gallen aus erstreckte sich seine und seiner Schüler Wirksamkeit weit nach
Oberschwaben hinein. Im eigentlichen Württemberg selbst ließ sich keiner der irlän-
dischen Glaubensboten nieder, sondern nur in den Grenzgebteten, so Trud-
pertus im Breisgau, Pirminius in Reichenau, Killan in Würzburg, von
1) So war den Sachsen, die erst durch einen dretunddreißigjährlgen Krieg zur Un-
terwerfung unter die Frankenherrschaft gezwungen wurden, Franken zu werden gleichbeden-
tend mit Christwerden und umgekehrt. Also ähnlich wie im Jahre 1870 die Elsäßer
meinten, preußisch werden heiße protestantisch werden. Nur vor 1100 Jahren mit, vor 4
Jahren ohue Grund.