K. 58. König Karl. Der deutsch-fr. Krieg u. die Aufrichtung des neuen deutschen Reichs. 237
genzeuge des riesenmäßigen Kampfes gab schon damals das wichtige Zeugniß
ab: „Die Franzosen sind verloren. Das sind keine Bataillone, das sind Mauern,
die mit unwiderstehlicher Macht vordringen. Man sieht gar nicht, daß die
Kanonen, Mitrailleusen, Gemehre sie berühren. Jede Lücke schließt sich augen-
blicklich. Nur hinter den Reihen merkt man, daß sie gelichtet wurden. Jeder
Mann, vom ersten bis zum letzten, ist ein Held. Frankreich ist verloren, und
um so mehr, je länger der Krieg dauert.“ An der Schlacht von Wörth hatten
auch die Württemberger theilgenommen; die Brigade Starkloff drängte den
Feind so welt zurück, daß er den Anschluß an sein Centrum verlor. Die württember-
gische Kavallerie betheiligte sich an der Verfolgung und erbeutete die Kriegskasse
mit 360,000 Franken. Die Württemberger zählten in dieser Schlacht an Todten
und Verwundeten 17 Offiziere und 339 Soldaten.
Die drei Kämpfe von Welßenburg, Wörth und Spichern waren zwar keine
entscheidenden zu nennen. Aber sie nahmen der „gloire“ der „grande nation“
allen Zauber und Nimbus. Die Franzosen waren nicht mehr die Unbesieglichen.
Vor deutscher Kraft, Umsicht und Standhaftigkeit hatten sie weichen müssen.
Man sah in Frankreich mit Bangen und Furcht, Iin Deutschland mit dem Gefühl
der Dankbarkeit gegen Gott für die Siege, in ganz Europa mit Staunen und
Bewunderung den nächsten Kämpfen entgegen. Daß auch den Kaiser eine düstere
Ahnung seines Falls beschlich, bewies ein Artikel seiner Amtszeitung vom 8.
August, worin neben den Lobpreisungen der französischen Tapferkelt und der zu-
versichtlichen Hoffnung auf einen heldenmüthigen Aufschwung der ganzen Natton.
auch ein Hilferuf an das Ausland unverkennbar verborgen lag. „Europa“, heißt
es darin, „sehe mit Unruhe auf die Machtvergrößerung Preußens und alle Re-
gierungen und Völker müßten in ihrem eigenen Interesse darauf bedacht sein,
daß das Gleichgewicht nicht durch eine eroberungssüchtige Natlon gestört würde,
sie müßten Europa dem preußischen Despotismus entreißen und Frankreich unter-
stützen, sei es durch Allianzen, sel es durch Sympathieen“". Die Sympathleen der
neutralen Völker sind den Franzosen während des ganzen Krleges in reichlichstem
Maße zu Theil geworden, aber zu Allianzen ließ sich die angerufene „Welsheit
der Regierungen und Völker“ nicht fortrelßen. ·
Nach der Schlacht von Wörth zog der Kronprinz mit der III. Armee
durch die Vogesen, ohne von Mac Mahon aufgehalten zu werden, nach Nancy
und wollte von hier aus den Marsch nach Paris fortsetzen. Der badische General
Beyer und die preußische Landwehr unter Werder begannen die Belagerung
Straßburgs. In Paris nahm das Ministerium Ollivier-Gramont seinen Ab-
schied; das neue Ministerium Palikao entzog dem Marschall Leboeuf den
Oberbefehl und übertrug ihn dem Marschall Bazaine. Dieser faßte zunächst
den Plan, mit den um Metz stehenden Truppen nach Verdun zu zlehen und sich
dort durch eine Vereinigung mit der neuen in Chalons gebildeten Armee Mac
Mahons zu verstärken. Die II. deutsche Armee unter dem Prinzen Fried-
rich Karl marschirte, um diese Vereinigung zu verhindern, von Pont à Mousson
plötzlich nördlich und lieferte vor Metz die drei blutigen Schlachten von Colom-
kampfes Deutschlands gegen Frankreich bis ins Einzelne zu schildern, sondern nur aus
der allgemeinen Schilderung die Betheiligung Württembergs an dem Kriege her-
vorzuheben.