Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

den zu stützen. Auf alle Fälle wird aber im Schlosse heute 
schon eine Leichenfeier veranstaltet. Scheidemann lädt dazu 
ein. Die Politiker und die Pressevertreter sollen hinkommen; 
die meisten werden sich das wohl nicht zweimal sagen lassen, 
zum mindesten in der Hoffnung, bei einer Flasche Wein alles 
zu erfahren, was hinter den Kulissen sich zusammenbraut. 
Daß Schiffer außerordentlich nervös ist, bört und sieht man 
jedesmal, wenn er auftritt. Ein überragendes Talent, das 
man schmerzlich vermissen würde, ist er auch nicht, obwohl er 
seinen demokratischen Parteigenossen dadurch imponiert, daß 
er mit rasender Zungengeläufigkeit seine freisinnigen Leit- 
artikel spricht. Der Reichshaushaltsplan jedenfalls, für den er 
verantwortlich zeichnet, ist die leichtfertigste Arbeit, die wir 
je erlebt haben. AUbrigens nicht nur Schiffer allein drückt 
die Knie nach der Heimat durch, auch anderen Demokraten 
und Zentrumsleuten im Kabinett ist die Lage nicht geheuer. 
Bielleicht geht sogar den Sozialdemokraten allmählich eine 
Abhnung von ihrer Unzulänglichkeit auf. Aber die Optimisten 
erwarten heute abend im Schlosse bestimmt das Wunder- 
wirken des großen Politikers namens Syndetikon: klebt, leimt, 
kittet alles. 
Bei einer Kleinigkeit ist heute im Nationaltheater die Re- 
gierungsmehrheit schon auseinandergeborsten. Die soge- 
nannte Sommerzeit, die in Großstädten 7—8 v. H. Kohlen-- 
ersparnis bedeutet, auf dem Lande aber nahezu eine Unmög- 
lichkeit ist, da die Milchkühe sich gegen Nachtlieferung erklärt 
haben, sollte auch heuer wieder eingeführt werden. Oiesen 
Gesetzentwurf lehnt das Haus mit einer Mehrheit aus sämt- 
lichen Parteien ab. Eine Stunde früher aufstehen und in der 
lieben Sonne sich tummeln, ist sehr schön, wenn man ordent- 
lich frühstücken kann, nur für die Imitation eines Ersatzes von 
Kaffeezusatz aber verlohnt das nicht. „O mordet nicht den 
heil'gen Schlaf!" heißt es im Wallenstein. Also die Sommerzeit 
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