und Herr Gradnauer und andere regierende Neogermanen
der Einzelstaaten sind in Weimar, um mit Herrn Preuß und
anderen ebenso Unzweifelhaften des Reiches darüber zu be-
raten, ob und wie das weidwunde preußische Wild abgeledert
und zerlegt werden soll. Dabei kommt ihnen wie seit jeber
in unserer Geschichte die deutsche Vielspältigkeit zugute: Herr
Trimborn mitsamt seinen Christlichen Bolksparteilern wartet
ja nur auf den leisen Stoß, der den alten Rheinbund wieder
absprengt, und was hier wohlerwogene Berechnung ist, das
ist anderswo, in Niedersachsen und sonstigen deutschen Stam-
mesgebieten, die zum gleichen Ziele führende deutsche Einfalt.
Den Hauptteil der Debatte füllen auch heute die Para---
graphen über den Tätigkeitsbereich des Reichspräsidenten aus.
Erstens ist er in Wahrheit überhaupt kein Präsident. Er sitzt,
wie der Demokrat Professor Schultze-Gaevernitz sehr richtig
bemerkt, gar keinem Kollegium vor, sollte also lieber, was auch
deutscher ist, Reichswalt beißen. Die Mebrheit lehnt das ab
und beläßt es bei dem Präsidenten. Er sitzt nicht vor, aber er
sitzt wenigstens, der Herr Ebert, und er sitzt würdig und lautlos,
wenn nicht gerade der Pressechef Alrich Rauscher eine Oster-
botschaft an das Volk oder die Inschrift unter eine Kranz-
spende oder ein Znterview mit einem ZItaliener für ihn zurecht-
gemacht hat. Ein Reichswalt, und da müssen wir Herrn
Schultze wieder unrecht geben, ist er auch nicht, denn er hat
über nichts zu walten und nichts zu verwalten, es sei denn sein
Zahresgehalt. Laut Verfassung darf er ja überhaupt keine
einzige BVerfügung ohne Gegenzeichnung eines parlamen-
tarischen Ministers erlassen. Er. ist also bloße Unterschrifts-
und Stempelmaschine. Selbst wenn innerhalb der nächsten
Zahre Großmächte wie Polen oder Böhmen uns plötzlich
mit Waffengewalt überfielen, kann der deutsche Reichspräsi-
dent nicht einmal den Landsturm an der Grenze aufrufen,
was bieber jeder kommandierende General im Notfalle auf
Friedrich der Vorläufige 193 13