Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

Ministertisch Platz nimmt. Kaum hat Katzenstein geendei, 
so erhebt sie sich, obwohl sie nicht das Wort hat, und beginnt 
unter wütendem Läuten der Präsidentenglocke zu reden. 
Man versteht nur die Worte: Von der Maas bie an die Memel! 
Es stellt sich bald heraus, daß sie dem Hause überhaupt nicht 
angehört, und zwei Diener führen sie ab. Die Gerüchte, die 
in Weimar seit mehreren Tagen umherlaufen, daß ein Attentat 
gegen die Nationalversammlung beatbsichtigt sei, erhalten 
auf einmal neue Nahrung. Alber selbstverständlich kann es 
sich, wie auch der Präsident unter einer bezeichnenden Hand- 
bewegung andeutet, nur um eine geistig Gestörte handeln. 
Oem bisherigen Minister Landsberg hatte sie melden lassen, 
daß sie zur Regierung gehöre. „Wenn sie verrückt ist, dann 
ist es richtig, dann gehört sie dazu !“ antwortete er trocken 
dem Boten. 
Der Kampf um die Stellung des Reichspräsidenten in der 
neuen Verfassung wird heute begonnen und vor Austragung 
abgebrochen. Der junge Leipziger Historiker Dr. Philipp, 
der Mitarbeiter des Professors Horst Kohl bei der Herausgabe 
der Bismarckbriefe, erklärt sich namens der Deutschnationalen 
für eine Ausgestaltung der Stellung des Reichspräsidenten 
zu der einer wirklich handelnden und führenden Person. Es 
sind eine ganze Reihe von Sätzen in der neuen Berfassung 
dem Reichspräsidenten gewidmet. Worte, nichts als Worte. 
Wenn man näher zusieht, so erkennt man, daß er das einzige 
Recht besitzt, ein Gehalt von 600 000 Mark jährlich aus Reichs- 
mitteln zu verzehren. Kurz, ein Ruheposten für einen ver- 
dienten Parteimann. Die Rechte wünscht statt dessen einen 
wirklichen Führer der Nation. Sie lehnt es daher auch ab, 
daß mit einfacher Mehrheit ein Mann dazu gekürt werde, 
der dann tatsächlich als Bertreter einer Minderheit den höchsten 
Sessel besteigt. Es sei das ungeheuerlichste geschichtliche Kurio- 
sum, sagt Pbilipp, daß das überwiegend bürgerliche deutsche 
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