Es haben nicht nur in den Privatkontoren der großen ndustrie-
werke oder in den Ecken der Schieberkaffees die Kriegsgewinn--
ler gesessen. Man braucht nur in den Rauchwarengeschäften
nachzufragen, welche Menge teuerer Pelze an Arbeiterfrauen
in dieser Zeit geliefert worden ist; oder die Statistik der Spar-
kassen nachzulesen; oder sich der jungen Lausbuben zu erinnern,
die in Weinstuben den Prokuristen spielten. Zammervoll stand
es nur um alle diejenigen, die nichts unter Preissteigerung
an den Mann bringen konnten, sondern vertraglich zu den
festen Bezügen der Friedensarbeit weiterarbeiteten: um die
Beamten. Hann ebenso oder noch schlimmer um die leinen
Rentiers, die Invaliden, die Witwen mit Ruhegehalt.
Der Deutschen Nationalversammlung, die beute nach Wei-
terberatung der am Sonnabend angeschnittenen Wahlprü-
fungen sich mit der Erhöhung aller Renten, namentlich für
Kriegsbeschädigte und Kriegebinterbliebene, befaßt, liest der
Präsident Febrenbach gebörig den Tert. Etwa nach dem,
irren wir nicht, Goetheschen Rezept: „Bilde, Künstler, rede
nicht!“ Die Herren möchten sich etwas kürzer fassen und dafür
etwas schneller abstimmen, sonst werde man mit dem Stoff
überhaupt nicht mehr fertig. Die Mahnung verdallt. Es
beginnt sogar alsbald ein Wettreden aller Fraktionen anläßlich
einer sozialdemokratischen Interpellation, die den Schrei nach
erhöhter Rente zum Ausdruck bringt. Es ist niemand im
Hause und außer dem Hause, der nicht wüßte, daß die Renten
unter den heutigen Lebensbedingungen völlig unzureichend
sind, nicht nur für Kriegsbeschädigte und für Hinterbliebene
von Gefallenen, sondern auch für Invaliditäts- und Alters-
rentner und sonstige Pensionäre vom Schlachtfelde der Frie-
densarbeit. Aber ebensowenig weih semand von peute auf
morgen zu sagen, woher man die etwa erhöhten Bezüge
nehmen soll. Selbst wenn wir an Stelle des Zauberlehrlings
Erzberger, dem die Wasser bald bie an den Hals geben werden,
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