der Unabhängigen bei uns einführt. Über den wichtigen
Artikel 111 der Verfassung, der das Grundrecht des „ciois
germanus sum" gegenüber dem Auslande festlegt, den Schutz
des Reiches allen Reichsangehörigen zusichert, eine Auslie-
ferung Deutscher an das Ausland verbietet, wird hinwegge-
glitten. Aber der neueingebrachte Artikel 115 a, der die Ab-
schaffung der Todesstrafe verlangt, nimmt Stunden in An-
spruch. Dieselben Leute, die am 9. November überall eine
Razzia auf königstreue Offiziere unternahmen, um sie zu
erschlagen, dieselben Leute, die im Zanuar und im März mit
Maschinengewehren die Berliner Straßen entlang in das
Publikum hineinschossen, dieselben Leute, die in München
die bürgerlichen Geiseln abschlachteten, erklären die von der
Staatsgewalt über Verbrechen verhängte Todesstrafe für
eine Kulturschande. Sogar ein so eingefleischter Pazifist, wie
es der demokratische Abgeordnete Haußmann ist, bestreitet
da den Cohn und Genossen das moralische Recht zu ihrem
Antrage. Oie Redner der Rechten tun es, in der Form noch
viel zu milde, ebenfalls. Mit einer nicht sehr großen bürger-
lichen Mehrheit wird der & 113 a denn auch abgelehnt. Es
scheint aber, daß diese Mehrheit sich schen darauf vorbereitet,
den verlorenen Posten aufgeben zu müssen. Sie rechnet
augenscheinlich damit, daß der Ausschuß, der unser Strafrecht
umarbeitet, die Todesstrafe „dem Zeitgeiste entsprechend“
streichen wird. Gegen diesen Geist der Zeit, der nach Revo-
lutionen mit ihrer völligen NRichtachtung des Menschenlebens
sich stets in Sentimentalitäten ergeht, hat einst Wolfgang
Menzel sein bestes Buch geschrieben. Darin steht ein Kapitel
vom Eskamotieren des Bösen, ein Kapitel von der Abschaffung
der Todeestrafe; wenn man das heute liest, so weiß moem wieder
einmal, daß die Weltgeschichte sich stets wiederholt, daß nur
durch Namen und Jahreszahlen die Wellenberge und Wellen-
täler der Entwicklung sich unterscheiden.
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