Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

der Unabhängigen bei uns einführt. Über den wichtigen 
Artikel 111 der Verfassung, der das Grundrecht des „ciois 
germanus sum" gegenüber dem Auslande festlegt, den Schutz 
des Reiches allen Reichsangehörigen zusichert, eine Auslie- 
ferung Deutscher an das Ausland verbietet, wird hinwegge- 
glitten. Aber der neueingebrachte Artikel 115 a, der die Ab- 
schaffung der Todesstrafe verlangt, nimmt Stunden in An- 
spruch. Dieselben Leute, die am 9. November überall eine 
Razzia auf königstreue Offiziere unternahmen, um sie zu 
erschlagen, dieselben Leute, die im Zanuar und im März mit 
Maschinengewehren die Berliner Straßen entlang in das 
Publikum hineinschossen, dieselben Leute, die in München 
die bürgerlichen Geiseln abschlachteten, erklären die von der 
Staatsgewalt über Verbrechen verhängte Todesstrafe für 
eine Kulturschande. Sogar ein so eingefleischter Pazifist, wie 
es der demokratische Abgeordnete Haußmann ist, bestreitet 
da den Cohn und Genossen das moralische Recht zu ihrem 
Antrage. Oie Redner der Rechten tun es, in der Form noch 
viel zu milde, ebenfalls. Mit einer nicht sehr großen bürger- 
lichen Mehrheit wird der & 113 a denn auch abgelehnt. Es 
scheint aber, daß diese Mehrheit sich schen darauf vorbereitet, 
den verlorenen Posten aufgeben zu müssen. Sie rechnet 
augenscheinlich damit, daß der Ausschuß, der unser Strafrecht 
umarbeitet, die Todesstrafe „dem Zeitgeiste entsprechend“ 
streichen wird. Gegen diesen Geist der Zeit, der nach Revo- 
lutionen mit ihrer völligen NRichtachtung des Menschenlebens 
sich stets in Sentimentalitäten ergeht, hat einst Wolfgang 
Menzel sein bestes Buch geschrieben. Darin steht ein Kapitel 
vom Eskamotieren des Bösen, ein Kapitel von der Abschaffung 
der Todeestrafe; wenn man das heute liest, so weiß moem wieder 
einmal, daß die Weltgeschichte sich stets wiederholt, daß nur 
durch Namen und Jahreszahlen die Wellenberge und Wellen- 
täler der Entwicklung sich unterscheiden. 
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