durch sein stockendes, mitunter fast buchstabierendes Ablesen,
hat auch nicht das Alkoholikertemperament Scheidemanne,
sondern bleibt im Tone immer ruhig und breit und wischt
sich nur ständig den Schweiß von Stirn und Hals, bie zwei
Taschentücher verbraucht sind. Aber wenn er sagt, er ver-
zichte darauf, die demokratischen Errungenschaften der letzten
acht Monate aufzuzählen, so platzt man aus. Und ein geradezu
jubelndes „Sehr richtig!“ nach dem andern kommt von rechts,
wenn er erklärt, jedes Handwerk setze eine Lehrzeit voraus,
am allermeisten das Regieren, das nicht in Volksversamm-
lungen zu erlernen sei, und wir müßten wieder Respekt vor
Sachkenntnis und Erfahrung bekommen. Spottet seiner selbst,
und weiß nicht wie, der gute Bauer. Im übrigen faßt er alles
in der einen Rede zusammen, was wir in diesen Wochen in
Dutzenden von Reden bereits gehört haben; man könnte ein
Vermögen für den Nachweis ausloben, wo sich ein einziger
neuer Gedanke darin befände, und man verlöre keinen Groschen.
Wir müßten arbeiten, meint er zum Schluß. Oie drakonischen
Bestimmungen Lenins gegen das Streiken od#er den Arbeits-
zwang nach Budapester Muster verwerfe die Reichsregierung.
Da# unser einziges Zahlungsmittel aber die Arbeit sei, müsse
der Staat die Erfüllung der Arbeitspflicht verlangen, die
Lichterfüllung verhindern, sagt er wenige Minuten später.
So geht es den armen Programmrednern immer, wenn ihnen
in der Fraktionesitzung von verschiedenen Seiten verschiedene
schöne Sätze diktiert werden.
Auf die auswärtige Politik geht er nur mit den Worten
ein, daß ihr höchstes Ziel unsere Beteiligung am Völkerbund
und seine Ausgestaltung sein müsse. Da hatte man früher
andere Ziele. Da ging es um die Größe und die Macht des
Vaterlandes, um das Elück und den Wodlstand seiner Be-
wohner. Das war einmal. Der neue Leiter unserer Außen-
politik, der junge Mann aus Frankfurt am Main, Herr Müller,
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