Vereidigung!
Einst ging uns das Wort durch Mark und Bein. Ich habe
vor langen Zahren, Aug' in Auge gegenüber dem König,
den Treueid geschworen, und dieser Eid steht noch wie ein
Speerschaft da und ist nicht gesplittert. Heute aber gilt die
Mark nur noch 19 Pfennige, und ein Eid keinen Sechser.
Als es sich darum handelte, ob Sozialdemokraten in das
preußische Abgeordnetenhaus eintreten könnten, da sie doch
dort vereidigt würden, meinte Bebel: „Über diesen Zwirns-
faden werden wir nicht stolpern!“
Als Scheidemann in das Ministerium eintrat, wußte er,
daß er vorschriftsgemäß auf den Monarchen vereidigt werden
müßte. Trotzdem trat er ein mit Verrat im Herzen. Bald
darauf kam der Verrat in der Tat.
Aus den Splittern von hunderttausend gebrochenen Eiden
wurde Eberts Thron gezimmert. Oer neue Reichspräsident
kann also unbesorgt schwören, denn der Eid ist längst von
seinen eigenen Leuten entwertet, und kann ruhig darauf
schlafen, auch wenn das heutige Krönungemabl ihm nicht die
nötige Bettschwere bringt.
Eine Ehrenkompagnie in weißen Paradebeinkleidern ist
vor dem Theater aufmarschiert. Das Auto des Präsidenten
kommt — „#Ichtung! Präsentiert das Gewehr !“ — und rollt
seitwärts achtlos vorbei. Da läßt der Hauptmann, obwohl
die Kompagnie für die ganze Zeit der Bereidigung herbe-
sohlen ist, Gewehr über nehmen und abmarschieren. Aur
die Musik bleibt da, damit Volk dableibe. Sie hat bei Eberts
Nahen nicht den Präsentiermarsch gespielt, aber auch nicht
die Marseillaise, sondern: „Ich schieß' den Hirsch im wilden
Forst.“
Feierlich wird derweil Herr Friedrich Ebert in den Saal
geleitet, wo die Großen seiner Krone ihn im Bratenrock er-
warten. Neben diesem Präsidenten sieht Erzberger geradezu
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