Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

lichen Kollegs bei Professor Held, dem Kathedersozialisten, sehr gut, 
er selbst war auch noch verhältnismäßig jung und zog mich in hohem 
Maße an. Ich habe mit ihm in engem Verkehr gestanden und es 
tief beklagtk, daß er bald nach meiner Studienzeit gestorben ist, er 
ist im Thuner See verunglückt. 
Großartig fand ich den Historiker Wilhelm Maurenbrecher, der 
in der begeisterten Art seines Vortrags an Treitschke erinnerte. 
Namentlich seine Charakteristiken historischer Bersönlichkelten waren 
höchst eindrucksvoll, wie er z. B. einmal Jeröme in der ihm eigenen 
kurzangebundenen Art als „aufgeblasenen, eingebildeten Hanswurst“ 
abgetan hat, ist mir noch heute in frischer Erinnerung. Bei meinen 
ausgeprägten geschichtlichen Nesgungen nahm ich Maurenbrechers 
Darbietungen mit offenem Sinn und großer Anteilnahme in mich 
auf. Er war übrigens auch musikalisch veranlagt, und wir trafen 
uns oft in der Beethovenhalle, wo unsere Abonnementsplätze sich 
nebeneinander befanden. Der Vortrag des berühmten Kiteratur- 
historikers Wilmanns, zu dem ich mit hochgespannten Erwartungen 
ging, enttauschte mich dagegen, ich erhielt von ihm nur geringe 
Anregung. Das philosophische Kolleg bei Professor Jürgen Bona 
Meper hatte ich auf Anraten meiner Mutter belegt da mir aber 
der Sinn für theoretische Philosophie völlig abgeht, habe ich es bald 
abgebrochen. 
Der Physiker Klausius war wohl einer der bedeutendsten unter 
den Professoren. Fein und liebenswürdig, universal gebildet, eine 
gewinnende Persönlichkeit voll schlichter Freundlichkelt und von ge- 
wandtem Auftreten, hielt er fesselnde und interessante Borträge. Zum 
ersten Male wurden in seinem Kolleg meine technischen Interessen 
fachmännisch befriedigt. Bek ihm habe ich auch das erste Telephon 
gesehen, und ich entsinne mich noch, welch ein Erstaunen der Apparat 
bei uns Hörern auslöste. In seinen Abendgesellschaften verstand 
Clausius stets einen Kreis geistvoller Männer um sich zu sammeln, 
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