blieb bald stecken und rettete die Situation nur dadurch, daß er schnell
zum Schluß überging und das Hoch ausbrachte. Da sagte König
Leopold, langsam und bedeutsam mir ins Ohr flüsternd: „Mein
lieber Wilhelm, es ist eine schöne Gabe Gottes, wenn einer ein be—
gnadeter Redner ist!“
Das bezeichnendste Erlebnis aber ereignete sich gegen Schluß
der Tafel. Die Bonbons waren schon herumgereicht, alles wartete
auf das Erheben der Majestäten, und es trat jene gedämpfte Stille
ein, die immer diesem Augenblick vorauszugehen pflegt. Nur einer
sprach weiter: der stocktaube Graf Philipp von Flandern, König
Leopolds Bruder, der infolge seines Leidens nichts von dem ein—
getretenen Schweigen bemerkte. Und was war der Inhalt seines
Gespräches? Mokante Bemerkungen über die Tischgäste! Die Si—
tuation war unglaublich peinlich. Vergebens versuchte seine Tisch-
nachbarin, die Gräfin Grünne, Oberhofmeisterin der Königin, ihn
von seinem Thema abzubringen, er ließ sich nicht beirren. Flehent—
lich sah sie zum König hinüber. Der aber stieß mich — ich saß
zwischen den Mafestäten — leicht an und sprach auf Deutsch ruhig
und langsam die geflügelten Worte: „Mein lieber Neffe, siehst du,
wie die Gräfin Grünne mich anfleht, ich möge doch die Tafel auf—
heben? Ich denke gar nicht daran. Ich lasse meinen guten Bruder
ruhig noch weiterreden. Denn ich erfahre auf diese Weise allerhand
Dinge, die mir sonst keiner erzählt!“
Den Höhepunkt der Festlichkeiten bildete das feierliche Hochamt
und Tedeum in der ehrwürdigen alten Kathedrale Ste. Gudule. Die
Masestäten und Mitglieder ihres Hauses sowie ihre fürstlichen Gäste
gruppierten sich um den Altar auf dem hohen Hochchor. Bon dort
schweifte der Blick durch die himmelanstrebenden Bogen des wunder-
baren Baues, zwischen dessen gewaltigen Pfeilern die weltberühmten
Gobelins das Grau der Steinmassen farbig belebten. Die gesamte
hohe Gelsstlichkeit beteiligte sich bei dem Zelebrieren, während die
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