Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

An diesen Aufenthalt in Balmoral knüpft sich für mich eine liebe 
Erinnerung, da mir meine Großmutter dort einen außerordentlichen 
Beweis ihrer Zuneigung gab. Die Königin überraschte mich nämlich 
mit der Ehrung, die hochländische Tracht des königlichen Klans (Klan 
Stewart) tragen zu dürfen. Da die Hochlandstracht in Deutschland 
an sich sehr populär, ihre wirkliche Kenntnis aber so gut wie gar 
nicht vorhanden ist, will ich mich über die mir „verliehene“ Tracht 
des königlichen Klans näher auslassen. 
Bei Tage wurde der grüne Kilt (Hunting Stewart) oder ein 
grauer (Balmoral) getragen. Des Abends bestand die Tracht in 
einem roten Kilt, Sammetfacke mit silbernen Knöpfen, einer mit 
Silber beschlagenen Tasche (sporran), Schuhen mit filbernen 
Schnallen, einem umgehängten Plald, das auf der linken Schulter 
mit einer großen silbernen, mit Goldtopas verzierten Brosche befestigt 
war. Dazu kam noch eisn auf besonderen Befehl meiner Großmutter 
hergestelltes prachtvolles, silberbeschlagenes Wehrgehenk. Dieses be- 
stand aus einem an Ketten hängenden, mit einem hühnereigroßen 
Goldtopas (cairngorm) verzierten Dolch, der über einen Fuß lang 
war, sowie einem breiten, mit Schnallen versehenen Bandelier, an 
dem das alte berühmte, mit einem geschlossenen Korbgriff versehene 
Schwert (clapmore) hing, letzteres wurde aber im Hause und zu 
Tisch nicht getragen. Dazu blitzte im Strumpf ein kleines, mit 
Goldtopas verziertes Messer. Die Tracht ist nicht nur sehr kleid- 
sam, sondern auch sehr praktisch, sie hält warm, gestattet beim Gehen 
weites Ausschreiten und zeigt dabei längst nicht soviel vom Bein wie 
die berühmten „Gemsledernen“ der Ciroler, Steperer und Ober- 
bapern, da das Knie immer bedeckt sein muß. Der Kilt ist näm- 
lich im Grunde nichts anderes als ein in Falten gelegtes Plaid, 
das um den Lefb geschlungen sst. 
Man kann sich vorstellen, wie groß meine sugendliche Freude war, 
als ich mein Zimmer betrat und diese ganze Pracht vorfand, welche 
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