wortschreiben nach Warschau geschickt, nach dessen Empfang der Zar
eine persönliche Zusammenkunft mit meinem Großvater in Alexan-
drowo, also auf russischem Gebiet, für den 3. September vorschlug.
Am 2. September war große Parade auf dem Tempelhofer Felde,
zu der ich aus dem Palais meines Großvaters die Fahnen abgeholt
hatte. Während die Barade in vollem Gange war, ging plößlich
die Kunde von dem Angebot des Zaren von Mund zu Mund und —
daß der Kaiser es angenommen hätte! Auf allen Gesichtern war
Bestürzung zu lesen, alle waren aufs außerste erregt: „ein neues
Olmütz“, hieß es allgemein, und überall wurde Manteuffel die Schuld
an dieser Schlappe gegeben. Mein Bater war verzweifelt, aber
auch Kaiserin Augusta zeigte sich tief bedrückt.
Am 4. September fuhr ich mit meiner Großmutter, meinem Vater
und zahlreichen hohen Offizieren nach Dirschau, um meinen Groß-
vater auf der Rückreise aus Alexandrowo einzuholen, in Königsberg
sollte am nächsten Tage Parade des I. Armeekorps sein und daran
sich das Korpsmanöver anschließen. Die Stimmung in Dirschau
war recht trübe und niedergeschlagen; sie wurde es noch mehr, als
wir erfuhren, daß der russische Kriegsminister Milfutin, der bekannte
Kriegshetzer und Deutschenfresser, auch in Alexandrowo gewesen war
und sogar auf Manteuffels Betreiben den Schwarzen Adlerorden
erhalten hatte! Mein Großvater dagegen zeigte sich sehr befriedigt
von der Aussprache, der Zar hätte erklärt, daß er keineswegs habe
drohen wollen, daß er bei uns mißverstanden sei, daß es sich um
einen Brivatbrief gehandelt habe und er ihn unter diesen Umständen
als ungeschrieben anzusehen bäte. Die Freundschaft meines Groß-
vaters für Rußland war nach dieser Aussprache offenbar fester denn
se. Alle anderen aber, Kalserin Augusta nicht ausgeschlossen, blieben
in schwerer Sorge über dieses Ereignis.
Daß auch Fürst Bismarck, der zu sener Zeit in Gastein weilte,
über die von ihm nicht gebilligte Zusammenkunft sehr beunruhigt
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