Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Vertrauen seines Herrn, daß dieser ihn mit der Verwaltung seiner 
privaten Gelder betraute. 
Auf einem anderen Gebiete hat Kessel meinen Eltern vielleicht 
unschätzbare Dienste geleistet. Die Beziehungen zwischen meinen 
Eltern und dem Reichskanzler gestalteten sich nicht immer reibungs- 
los. Da nun Kessel ein Better des Fürsten und im Hause Bis- 
marck gern gesehen war, so hat er es durch moralischen Mut und 
feinen Takt trefflich verstanden, Reibungen auszugleichen. Er hat 
auch in den schweren neunundneunzig Tagen sich nach Kräften be- 
müht, die nach allen Seiten hin schwierige Situation zu erleichtern. 
Als ich im Jahre 1877 zum aktiven Frontdienst beim Ersten 
Garderegiment zu Fuß eintrat, stand Kessel auch bei der 6. Kom- 
pagnie, wo er sich meiner in der kameradschaftlichsten Weise annahm. 
So gab er mir Anweisungen für den Dienst, besonders für den 
VBerkehr mit den Mannschaften und die Art und Weise zu instru- 
ieren; er ging auch das Reglement mit mir durch und orientierte mich 
schließlich über die Offiziere der O. Kompagnie und des II. Batakllons 
sowie über meine Altersgenossen im Offfzierkorps. Kessel war eine 
allsektig beliebte Bersönlichkeit und wurde ganz besonders von uns 
Leutnants als ein „Vertrauensmann“ im besten Sinne des Wortes 
verehrt. 
Meine ganze Dienstzeit habe ich mit ihm gemeinsam beim Regi- 
ment verbracht und mich oft an seiner unverwüstlichen guten Laune, 
an seinen Erzählungen aus Krieg und Frieden erfrischen können. 
Aber auch in der schönen Literatur war er gut bewandert und besaß 
zudem ein hübsches Zeichentalent, das ihn befähigte, ansprechende 
Aquarelle von schönen Landschaften und interessanten Gebäuden zu 
entwerfen. 
Nach dem Tode meines Baters trat Kessel in meine Dienste. 
Er ist mir sein Leben lang ein treuer Freund und Berater gewesen, 
bis er im Kriege als Gouverneur von Berlin und Oberkomman- 
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