zahlreichen trüben Erfahrungen die Uberzeugung gewonnen, daß der
aufrichtige katholische Jdealismus, der in diesen Wählermassen lebt,
mißbraucht worden ist von einer Führerschaft, deren politische Be-
tätigung keineswegs dem wahren Wollen ihrer Anhänger entsprach.
Daß dies möglich war und noch ist, erklärt sich aber aus dem ver-
hängnisvollen Eindruck, den der Kulturkampf in den Seelen der
deutschen Katholiken hinterlassen hat. Von dieser Erinnerung zehrt
das Zentrum noch heute, aus ihr zieht es noch heute seine Kraft.
So müssen noch spätere Generationen dafür leiden, daß der Staat
der Bismarckschen Ara sich einstmals im Kampf mit dem Bapsttum
versucht hat.
Den Abbruch des Kulturkampfes habe ich seinerzeit freudig be-
grüßt und im Geiste der Toleranz, die mir Hinzpeters Erziehung
und die Tradition meines Hauses zu eigen gemacht hatten, nach Kräften
zur Versöhnung und Beilegung des Streites beigetragen. Eine Reihe
prachtvoller katholischer Männer war mir vergönnt bennen zu lernen.
In erster Kinie habe ich hier meines Oheims, des Kardinals
Gustav Hohenlohe, füngeren Bruders des damaligen Pariser Bot-
schafters und späteren Reichskanzlers, zu gedenken. Er war ein
liebenswürdiger, seiner Mann, konfessionell sehr frei, ganz positiv
zum deutschen Staate eingestellt und auch durchaus bereit, die Ber-
tretung Deutschlands beim Vatikan zu übernehmen, in seinem Arbeits-
zimmer hing sogar ein Bild Bismarcks mit dessen eigenhändiger
Unterschrift! Das Zentrum, vornehmlich Windthorst, haßten ihn daher
entsprechend. In Rom, wo er lebte, hatte er sich eine gute Stellung
gemacht, besonders unter Bius IX., den er auf seiner Flucht nach
Gasta begleitet hatte. Ich habe mich mit dem geistvollen, etwas
schwärmerisch weichen Manne ausgezeichnet gestanden. Ich kannte
ihn schon von meiner Kindhekt her, da er oft meine Eltern besuchte,
die ihn sehr gern hatten; meine Mutter duzte sich mit ihm. Ich habe
mit ihm in ziemlich regem Briefwechsel gestanden und bin von ihm
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