Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

am 21. Juni in London zu vertreten, da mein erkrankter Vater der 
Schonung bedurfte und deshalb nur inoffiziell an den Feierlichkeiten 
teilnehmen konnte. Neben meinem persönlichen Adjutanten, dem Frei- 
herrn v. Bissing, wurden mir Generalleutnant v. Hahnke und Oberst- 
leutnant v. Kessel attachiert. 
Mit Genehmigung meines Großvaters schiffte ich mich an Bord 
des Flottillenfahrzeugs „Blitz“ der Torpedobootsflottille unter dem 
damaligen Kapitän z. S. Tirpitz ein, die nach England mitgehende 
erste Division der Flottille kommandierte mein Bruder Heinrich als 
Chef. Wir liefen bei schönstem Wetter nachts über die Nordsee und 
erreichten am frühen Morgen das englische Festland. Ein herrlicher 
Sommertag brach an, als wir die Küste entlang auf die Themse- 
mündung zu dampften. 
Bei Loweskoft nahmen wir einen englischen Themselotsen, er war 
ein prächtiger jovialer Mann, der über alle Schiffahrtsverhältnisse 
bereitwillig Auskunft gab. Das Meer war sehr belebt, wir passierten 
außer zahlreichen Fischerfahrzeugen vornehmlich leere Kohlendampfer, 
die Kurs nach Newcastle hatten. Bekanntlich muß das Handels- 
schiff, wenn es einem Kriegsschiff begegnet, seine Mationalflagge setzen 
und grüßen. Als eine Anzahl jener Kohlendampfer es versäumte, 
ihre Flagge zu zeigen, brach unser über diese Nichtachtung sehr er- 
boster Lotse, mit der Faust nach den Dampfern drohend, in zornige 
Worte aus. Dagegen erfreute ihn unsere im Kielwasser des „Blitz“ 
in bester Marschformation folgende Torpedobootsdivision ungemein, 
und er gab seinem Erstaunen darüber, daß so kleine Schiffe es 
wagten, über die Nordsee zu fahren, unverhohlen Ausdruck, wobei 
er sich in Worten der Bewunderung nicht genugtun konnte. Es 
war in der Tat das erstemal, daß eine Torpedobootsdiotsion in ge- 
schlossenem Berbande die Nordsee überquert hatte; man war damals 
noch der Meinung, daß Torpedoboote wohl zur Küstenverteldigung, 
nicht aber auf der hohen See gebraucht werden könnten. Als wir 
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