noch ein Stündchen plauderten. Das Frühstück fand meist gegen
Uhr morgens statt, zuweilen aber auch schon um 3 Uhr. Das
bedeutete bei der Bünktlichkelt des Katsers Bersammlung 20 Minuten
vorher, was den Alteren unter uns zuweilen etwas schmerzlich war.
Dann fuhr man zu Wagen in das Revier, wo Prinz Leopold von
Bapern und der Großherzog von Toskana Ponps bestiegen, wir
anderen aber bei Laternenschein den mehrstündigen Anstieg zu Fuß
machten. Gegen Tagesanbruch war man auf den Ständen, die bald
auf freier Bergeshöhe, bald im Walde an Bachbetten angelegt
waren. Die Treiben dauerten ungefähr fünf bis sechs Stunden,
das Wild erschien an den Ständen erst in der zweiten Hälfte dieser
Zeit. Der Anlauf war ganz verschieden, da auf der Gebirgssagd
der bei zweifelhaftem Wetter sehr wechselnde Wind eine große
Rolle spielt.
Eines Tages wies mir der Kaiser einen für ihn bestimmten Stand
an, da ich tags zuvor keinen Anlauf gehabt hatte. Ich war darüber
sehr erfreut, mußte aber dafür eine recht schwierige Kletterpartie mit
in Kauf nehmen, an deren Schluß ich gar erst mittels einer Leiter
meinen Stand erreichen konnte. Dicker Webel behinderte sede Aus-
sicht. Kaum hatte ich mich dort eingerichtet, so sank ich auch schon,
in einen warmen Belzrock gehüllt und eine Pelzdecke über den Knien,
völlig erschöpft in Schlaf. Als mein Büchsenspanner Nolfing mich
weckte, war der Nebel verschwunden, und nun sah ich ein pracht-
volles Banorama vor mir. Aber zu meiner nicht geringen Uber-
raschung entdeckte ich gleichzeitig, daß ich auf einer Felsplattform
saß, die, von der Hauptwand ins Tal vorspringend, höchstens zehn
Quadratmeter groß sein mochte. So still, wie auf dem Felsen, habe
ich in meinem Leben nicht gesessen! Der Wind war gut, der An-
lauf entsprechend günstig, die Gemsen wechselten verhältnismäßig nahe
an, vor oder über mir vorbei, und es gewährte mir Freude, ihr
Verhalten genau beobachten zu können. Eine Geiß zog mit ihrem
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