Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

tisch) bot eine solche Fülle auserlesener Delikatessen und Liköre, daß 
sie für preußische Verhältnisse vollauf genügt hätte, den Hunger zu 
stillen. Das Menu wies weit über ein Dutzend Gänge auf, zu 
denen der liebenswürdige Wirt „freundlichst nötigte“. Die Dauer 
des Essens betrug über zwei Stunden, und die alten Herren wurden 
allmählich jovial und angeregt. Am Schluß des Diners brachte 
Gürst Dolgorukoff drei Hurras auf den Zaren und, in Erinnerung 
an die alten preußisch-russischen Traditionen, auf meinen Großvater 
aus. Nach Tisch wurde in einem Nebensaal geraucht, während 
Zigeuner und Zigeunerinnen mit glockenreinen Stimmen in kunstvoll 
abgestimmtem Chor russische Bolkslieder sangen. 
Um Mitternacht brachte mich der Fürst nach dem Bahnhof, wo 
sich das Offizierkorps des Grenadierregiments Friedrich Wilhelm IV. 
zum Abschied eingefunden hatte# auch viele der Tischgäste hatten es 
sich nicht nehmen lassen mitzukommen. Nach herzlicher Berabschiedung 
von meinem liebenswürdigen Gastgeber stieg ich in den mir vom 
Zaren zur Berfügung gestellten Sonderzug, der unter Hurrarufen 
die Halle verließ. Am 28. Mai traf ich wieder in Berlin ein. 
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. 
Mein nächster Besuch auf russischem Boden fand 1886 statt. 
Im Februar dieses Jahres lud mich der Generaladjutant meines 
Großvaters, Fürst Anton Radziwill, zur Bärenjagd auf seine russischen 
Besitzungen ein. Nachdem mein Großvater mir den erbetenen Ur- 
laub bewilligt hatte, wurde am 12. Februar die Reise über Warschau 
nach Nieswiecz, dem uralten Schlosse der Fürsten Radziwill im 
Gouvernement Minsk, angetreten. Mein Adjutant, Major v. Krosigk, 
begleitete mich. Einige Stationen vor Warschau kam der vom Fürsten 
Bismarck hochgeschätzte Generalkonsul Baron v. Rechenberg in unseren 
Wagen und erzählte uns einiges über Warschauer Berhältnisse. Auf 
der Station Baranowitschi, von der damals gerüchtweise verlautete, 
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