nämlich im Juli 1887 gegen den Einspruch Rußlands, das einen
russischen General als Regenten in Sofia haben wollte, den Prinzen
Ferdinand von Koburg zum Fürsten gewählt. Wieder von dem Be-
streben geleitet, Rußland nicht vor den Kopf zu stoßen, hatte Deutsch-
land den Fürsten nicht anerkannt. Nun waren dem Zaren gefälschte
Briefe in die Hände gespielt worden, aus denen hervorging, daß
Bismarck insgeheim doch die Koburgische Kanditatur gefördert und
dem Prinzen für die Zukunft den deutschen Beistand zugesichert hatte.
In dieser hochgespannten Situation kam Zar Alexander III. mit
Gemahlin und Thronfolger auf der Rückreise von Dänemark im
November nach Berlin.
Ich fuhr dem russischen Kaiserpaar bis Wittenberge entgegen,
während der offizielle Empfang in Berlin auf dem Lehrter Bahnhof
stattfand. Die Stimmung zwischen den russischen Majestäten und
meinen Angehörigen war nicht die beste, die allgemeine politische
Spannung zwischen beiden Ländern übertrug sich auch auf das persön-
liche Berhältnis. Bezeichnend ist auch, daß der Zar es ablehnte,
im Schloß Wohnung zu nehmen, sondern wie sonst in der Russischen
Botschaft abstieg.
Hier hatte Bismarck am Nachmittag eine längere Unterredung
mit Kaiser Alexander und klärte ihn mit Leichtigkeit über die Natur
der Bulgarischen Fälschungen auf. Der Zar äußerte sich nachher
auch sehr befriedigt über die Beseitigung des Mißverständnisses, aber
lange angehalten hat die freundliche Stimmung nicht.
Von diesem Zarenbesuch ist noch des Zwischenfalls Erwähnung
zu tun, der sich bei der Tafel ereignete. Gürst Bismarck war näm-
lich durch die Tischordnung nicht, wie üblich, als Reichskanzler dem
Zaren gegenüber, sondern auf die sogenannte „Blutseite“, d. h. seinem
fürstlichen Range entsprechend auf die Seite der Fürstlichkeiten gesetzt
worden, wo der Zar ihn nicht sehen konnte. Bismarck war über
diese Anordnung sehr erregk, und in der Tat kann man nicht wissen,
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