Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

ob es nicht gut gewesen wärc, wenn Bismarck die Möglichkeit ge- 
habt hätte, mit dem Zaren bei Tisch zu sprechen. 
3 
Einen dauernden Erfolg hat, wie gesagt, die Aufklarung des 
Zaren durch Bismarck und die Entspannung zwischen Rußland und 
Deutschland nicht gehabt. Die panslawistische Flut stieg höher und 
höher, das Revanchegeschrei wurde immer lauter, und die Gerüchte 
von einer bereits abgeschlossenen Allkanz zwischen Rußland und Grank- 
reich verdichteten sich immer mehr. Dazu konnten starke russische 
Truppenverschiebungen an die polnisch-preußische Grenze festgestellt 
werden. 
Mitte Dezember befahl mein Großvater den Feldmarschall Moltke 
zum Vortrag über den Zweifrontenkrieg, der uns allem Anschein 
nach bevorstand. Außer dem Grafen Waldersee, der damals General= 
quartiermeister war, sowie dem General v. Albedyll und dem Kriegs- 
minister Bronsart v. Schellendorff mußte auch ich dem Vortrage 
beiwohnen. Mein Großvater sprach zunächst viel von dem traditio- 
nellen Verhältnis zwischen Rußland und Deutschland, wobei die 
Erinnerungen an seine Zugendzeft und die guten Beziehungen zu 
seinem ermordeten NMeffen, dem Zaren Alexander II., in ihm über- 
mächtig wurden. N#achdem Moltke einen meisterhaften Bortrag 
gehalten hatte, genehmigte der Kaiser den Entschluß, Truppen nach 
dem Osten zu verschieben und vor allem den Ausbau des vernach- 
lässigten Bahnnetzes im Osten zu fördern. Die letzteren Maßnahmen 
erforderten geraume Zeit und Mittel, zumal die großen neuen Weichsel- 
und Nogat-Eisenbahnbrücken milttärischerseits gegen starken Widerstand 
des Mintsteriums für öffentliche Arbeiten durchgesetzt werden mußten. 
Da die Behörde die Eisenbahnen lediglich aus wirtschaftlichen und 
finanziellen Gesichtspunkten beurteilte, so waren ihr andere, vornehm- 
lich auf militärische Wünsche gegründete Ausgaben wenig sympathisch. 
Vollständig sind die von Kaiser Wilhelm befohlenen Maßnahmen 
328
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.