Vollkommenheit erreichen zu lassen. Da nun das gestellte (unmög-
liche) Ziel natürlich nie erreicht wurde, konnte logischerweise auch
kein Lob als Zeichen der Zufriedenheit verabfolgt werden. Ich möchte
die Art dieses Systems an einem mir naheliegenden militärischen
Beispiel demonstrieren.
Dse preußische Kavallerie wies zur Zeift meines Großpvaters zwei
hervorragende Resterführer auf: Rosenberg, der die Nathenower
Zietenhusaren, und Krosigk, der die Gardehusaren kommandierte.
Krosigk war ein sehr gewiegter, ernster Pferdedresseur und benutzte
die Bahnreiterei, um Bferd und Reiter „für die Attacke“ heranzu-
bilden. Er entwickelte auch das Springen über Hindernisse ganz soste-
matisch und brachte seine vorzüglich durchgebildeten Bferde in voller
Ordnung über jedes springbare Hindernis, das diese unter Reiter-
und Kriegsgepäckgewicht zu überwinden imstande waren. Rosenberg
dagegen betrieb die Bahnreiterei sehr kursorisch und „genial“, so daß
seine Pferde nicht übermäßig durchgeritten und ausgebildet wurden.
Dafür ließ er sie allerhand Hindernisse nehmen, die im Reglement nicht
vorgesehen waren, z. B. über eine Hürde zwischen feuernde Schützen
hindurch springen, oder über einen brennenden Holzstoß us. Beim
Stangenspringen in der Bahn ließ er die Sprungstange den Pferden
in Kopfhöhe derselben vorhalten. Er wußte sehr wohl, daß das
Pferd eine solche Höhe niemals nehmen konnte, wollte aber, daß es
den Schneid bekäme, auch das Unmögliche zu wagen. — Ahrliches
verlangte Hinzpeter auch von seinem Zögling, der sich der Grenzen
seiner Leistungsfaähigkeit durchaus bewußt war.
Man mag über die Hinzpetersche Bädagogik denken wie man
will, — daß aber ein Unterricht, dem die Freude fehlt, von falschen
psochologischen Boraussetzungen ausgeht, erscheint mir außer Zweifel.
Denn freudlos wie das Wesen des pedantischen und herben Mannes
mit der hageren dürren Figur und dem Bergamentgesicht, der im
Kalvinismus groß geworden war, ebenso freudlos war seine Er-
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