Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

württembergische Agrarverhältnisse, 199 
Eltern gegen den Gutsübernehmer wohl auf Collation des angeb- 
lich Zuvielempfangenen dringen. Oder sie leisten schon bei der 
Uebernahme des Guts durch den bevorzugten Sohn oder 
die bevorzugte Tochter Widerstand, indem sie geltend machen, 
dass ihre Abfindung nicht genug, nicht einmal den Pflichttheil 
betrage. Dann wird der Uebernahmspreis hinaufgeschraubt oder 
die Abfindung erhöht. Das ganze Verfahren setzt überhaupt noch 
patriarchalische Zustände voraus, bei denen die Kinder sich der 
Autorität der Eltern: fügen und die Familie sich als ein Ganzes 
fühlt, wo der das Gut übernehmende Sohn mit dem Recht eines 
neuen Hauptes der Familie auch die Pflicht desselben übernimmt, 
seinen Geschwistern, wenn sie einmal in Noth kommen, zu helfen, 
ihnen auf dem Hofe Lohnarbeit und Unterkunft zu gewähren, und 
wo eben desshalb auch die abgefundenen Geschwister dem Interesse 
der Erhaltung des Guts Opfer bringen. Wo solche patriarcha- 
lische Zustände im Geist und Herzen der Leute noch bestehen, 
da ist das Verfahren ganz gut. Aber man tläusche sich nicht 
über die Lebenskraft solcher Zustände in unserer jetzigen Zeit. 
Sie stehen im Widerspruch mit den Ideen von individuellem Recht 
und persönlicher, egoistischer Freiheit; das bestehende Recht 
schützt sie nicht, ist ihnen sogar in vielen Aeusserungen ent- 
gegen. Wie lange werden sie sich also dem zersetzenden Einfluss 
der Zeit gegenüber halten können? Ich für meinen Theil zweifle 
gar nicht, dass sie untergehen werden; nur die Zeit, bis wann 
dies geschieht, kann fraglich sein. 
Sowohl dieses Verfahren als die oben erörterten Mittel, ein 
Gut im Erbgang vor der Theilung zu bewahren, sind übrigens 
vom Standpunkt unsers Rechts aus nur als Ausnahme zu be- 
trachten. Die eigene Ansicht, die das Geseiz in Bezug auf Erb- 
theilungen von Liegenschaften vertritt, ist die, dass dieselben 
ebenso wie bewegliche Güter getheilt werden nach der Zahl der 
Kinder. Dies geschieht nämlich, wenn die Erben nicht ausdrück- 
lich darauf verzichten, in allen Fällen, wo von Seiten des Erb- 
lassers keine entgegengesetzte Verfügung getroffen worden ist, 
also immer, wo der Erblasser den Willen des Landrechts anstatt 
seines eigenen wirken lässt. Ein Gesetz, wonach die Theilung 
eines die Erbmasse bildenden Grundstücks unterbleiben könnte,
	        
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