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nur dann leidlich leben kann, wenn die Erndten wirklich gut sind,
und dass eine übergrosse Menge von Leuten von Taglohn leben
oder aus Taglöhnerei einen grösseren oder geringeren Zuschuss
zu dem Lebensunterhalt erwerben muss, den ihnen der Boden
giebt, mit einem Wort, dass ein allzu bedeutender Bruchtheil
unsrer landwirthschaftlichen Bevölkerung eine Taglöhner - und
Kartoffelbevölkerung ist. In solcher Lage ist auch ein verhält-
nissmässig kleiner Rückschlag im Ertrag der gewöhnlichen
Nahrungsquellen im Stande, einen grossen Nothstand hervorzu-
rufen.
Woher kommt es aber, dass die Zustände so sind? Ganz
gewiss aus keinem andern Grund, als weil mit der steigenden
Bevölkerung die Verkleinerung der Nahrungsstellen und insbe-
sondere der Grundbesitzungen ein Maass erreicht hat, welches
kein anderes Leben mehr möglich macht, als eben das -bezeich-
nete, weil unser Landvolk, anstatt besonnen und tüchlig ein
höheres Maass von Lebensgenuss als die nicht zu überschreitende
Grenze festzuhalten und im einzelnen lieber auf einen Hausstand
zu verzichten als einen solchen zu begründen, der ökonomisch
nicht gerechtfertigt wäre, sich tiefer und tiefer in seinen An-
sprüchen ans Leben herunterbegeben und die Kraft und Selbst-
überwindung nicht gefunden hat, sich bei Verkleinerung der
Nahrungsstellen selbst die Schranke aufzuerlegen, welche das
Gesetz ihm zu stellen unterlassen hat.
Dass diese Erklärung richtig ist, ergiebt sich aufs deutlichste
aus der unmittelbaren Anschauung des Lebens in denjenigen
vorherrschend landwirthschaftlichen Distrikten, wo gesetzliche
Freiheit und Sitte die Theilung des Bodens schon lange begünstigt
haben. Aber auch ein bestimmter Beweis ist für dieselbe mög-
lich mittelst einer statistischen Vergleichung dieser Landestheile
mit solchen, welche geschlossene Höfe und grössern Grundbesitz
sich erhalten haben.
Bevor ich indessen diese Vergleichung versuche, sei cs mir
erlaubt, einige Bemerkungen und Wünsche in Betreff der land-
wirthschaftlichen Statistik in unserm Lande auszusprechen, welche
das Material zu der anzustellenden Vergleichung liefern soll.
Ich weiss kein Land in Deutschland, wo mehr Mühe und