Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

528 Völkerrechtliche Lehre 
Unterdrückung machen. Ist es nämlich auch unvermeidlich, dass 
nicht bald da buld dort auf der Erde ein unerträglicher Druck 
staatlicher, religiöser oder gesellschaftlicher Art stattfinde, so muss 
doch wenigstens eine Möglichkeit für die Leidenden offen stehen, 
irgendwo Schulz und Recht zu finden. Und zwar liegt es in 
dem Interesse jeder Parlhei und jeder Ueberzeugung, welcher 
Art sie auch sei, dass jener Grundsatz nicht zur Geltung komme, 
denn keiner ist sicher, nicht auch selbst früher oder später in 
die Lage zu koınmen, Schulz gegen Gewallthat zu suchen. Die 
Geschichte aller Zeilen giebt hierüber die unzweifelhaflesten Aus- 
weise. — Durch grundsätzliche Nichtaufnahme aller Flüchtlinge aus 
fremden Staaten lässt sich also die zur Untersuchung gestellte 
Frage nicht beseitigen. 
Damit ist aber allerdings nicht gesagt, dass die kosmopoli- 
tische Auffassung der Rechtswahrung keine Anwendung erleide 
auf. die Fälle eines von jetzt flüchtigen Unterthanen eines frem- 
den Staates in dessen Gebiet begangenen Verbrechens. Im Ge- 
gentheile steht auch hier die Verpflichtung zu einer Beihülfe- 
vollkommen fest. Die so eben versuchte Begründung eines Asyl- 
rechtes soll nicht dazu dienen, Solche, welche sich eine gerechte 
Strafe zugezogen haben, dieser zu entziehen ; sondern nur dazu, 
unschuldig Verfolgten einen Zufluchtsort offen zu halten. Wenn 
also einem Staate, welcher sich überhaupt zu dieser ganzen An- 
schauung der Weltrechtsordnung bekennt, auf genügende Weise 
nachgewiesen ist, dass von Flüchtlingen, welche sich in seiner 
Botmässigkeit befinden, anderwärts wirklich gegen das Recht ge- 
handelt worden ist, so hat er seine Mitwirkung zur Wiederher- 
stellung nicht zu versagen. — Dieser Grundsatz wirkt dann aber 
nach zwei verschiedenen Richtungen hin. — Einer Seits versteht 
sich von selbst, dass der Staat nicht als urtheils- und willen- 
loser Vollzieher fremden Willens handelt. Es ist seine eigene 
Ueberzeugung,, sein freier Wille, das Recht zu schützen, nicht 
Gehorsam gegen das Verlangen eines Andern. Eine nothwendige 
Bedingung jeder Thäligkeit von seiner Seite ist daher die 
eigene Ansicht, dass wirklich eine Rechtsverletzung vorliege. 
Somit genügt die blosse Behauptung einer fremden Regierung, 
dass gewisse Flüchtlinge Verbrechen begangen haben, keines-
	        
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