vom Asyle. 553
herausstellen. Jenes ist der Fall, wenn man bei der angeblich
verletzten Regierung nicht ehrliches Verlangen nach Herstellung
der Rechtsordnung, sondern Rachedurst, bei den Gerichten Feig-
heit und Abhängigkeit fürchten muss; wenn man somit in der
Gefahr ist, der Vollziehung einer formellen Verpflichtung das
innere Recht und die Menschlichkeit zum Opfer zu bringen, sich
vielleicht zum Handlanger des Henkers der edelsten Menschen
und berechtigtsten Vaterlandsfreunde zu erniedrigen. In die
schwere, unter Umständen selbst sehr gefährliche, Verlegenheit
eines Urtheiles über fremde Zustände und Persönlichkeiten kommt
ein kosmopolitischer Staat aber da, wo es sich von Auslieferungen
nach erfolglosem Angriffe oder Widerstande gegen die thatsäch-
lich herrschende Gewalt handelt.
Es kann nun verständigerweise nicht geläugnet werden, dass
bei dieser zweilen Gattung von Beistandsfällen die Nachtheile
weit grösser sind, als der mögliche Nutzen. Der Angriff auf
die bedrohte Staatsordnung ist, wenigstens im Wesentlichen, ver-
unglückt und die Urheber sind auf der Flucht. Eine Wieder-
holung ist nicht zu fürchten, wenn der asylgebende Staat seine
Pflicht erfüllt, (wovon sogleich.) Der ganze Schaden verweigertler
Beihülfe besteht nur in der thatsächlichen Straflosigkeit einer
Gesetzesverletzung. Die Nachtheile der Auslieferung aber können
unberechenbar sein für einen gewissenhaften Staat, erdrückend
für Menschlichkeit und wahres Recht bei Urtheilsfehlern, Schwäche
oder tadelnswerthem Mitgefühle der um Mitwirkung angegangenen
Regierung. Es erscheint somit als gerechtfertigt, wenn ein zum
‚Asylrechte Zugelassener niemals ausgeliefert wird zum Behufe
‚der Bestrafung wegen einer vor seiner Aufnahme in den Schutz
gegen das öffentliche Recht eines andern Staates begangenen
Handlung. Allerdings hat eine strenge Festhaltung dieses Grund-
salzes auch entschiedene Nachtheile; allein sie müssen als das
im Ganzen geringere Uebel getragen werden. So wird z. B. wohl
die Nichtauslieferung zuweilen auch Solchen zu einer Straflosig-
keit verhelfen, bei welchen diess nach allen göttlichen und mensch-
lichen Rechten zu bedauern ist; und es mag als eine grosse
Folgewidrigkeit und Unbilligkeit erscheinen, wenn bei einem ge-
meinsamen Unternehmen gegen einen fremden Staat die diessei-
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