Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 44. Landgemeinden. 163 
erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, bei 
Empfang von Armenunterstützungen oder Nichtentrichtung von Gemeinde- 
abgaben trotz Mahnung bis zur Entrichtung dieser. 
Für die Erhebung der Gemeindesteuern greifen dieselben Vorschriften 
Platz, wie bei der Stadtgemeinde. 
5. Die Organe der Landgemcinde. Dies sind der Gemeindevor- 
steher und die Gemeindevertretung. 
à) Der Gemeindevorsteher (Schulze, ) Scholze, Dorfrichter). 
Ersteht an der Spitze der Verwaltung der Landgemeinde, ist remunerierter, 
nur ausnahmsweise besoldeter Einzelbeamter. Ihm zur Seite stehen 
2—6 Schöffen (Schöppen, Gerichtsmänner, Gerichts= oder Dorf- 
geschworene), welche ihn in den Amtsgeschäften zu unterstützen und in 
Behinderungsfällen zu vertreten haben. Sie besitzen ein bloßes votum 
Consultativum, sind sämtlich auf 6 Jahre aus den Gemeindegliedern 
von der Gemeindevertretung bzw. Gemeindeversammlung gewählt und 
vom Landrat staatlich bestätigt. In größeren Gemeinden kann durch 
Ortsstatut ein aus dem Gemeindevorsteher und den Schöffen bestehender 
kollegialischer Gemeindevorstand eingeführt werden. 
Der Gemeindevorsteher wird zunächst auf 3 Jahre gewählt, nach 
Ablauf dieser Amtsdauer kann er auf weitere 9 Jahre gewählt werden. 
In Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern kann die Gemeinde- 
vertretung die Anstellung eines besoldeten Gemeindevorstehers beschließen. 
Die Wahl desselben erfolgt auf die Dauer von 12 Jahren und ist 
nicht beschränkt auf Gemeindeglieder. In größeren Gemeinden kann 
durch Ortsstatut mit Zustimmung des Ministers des Innern vorgeschrieben 
werden, daß ein oder mehrere Schöffen gegen Besoldung angestellt 
(auf 12 Jahre) werden sollen. 
Der Gemeindevorsteher ist die Obrigkeit der Landgemeinde und 
führt deren Verwaltung. Er vertritt die Gemeinde nach außen und 
führt mit denselben Befugnissen wie der Magistrat einer Stadtgemeinde 
die „laufende Verwaltung“. In der Gemeindeversammlung (Gemeinde- 
vertretung) führt er den Vorsitz mit vollem Stimmrecht. 
Der Gemeindevorsteher ist, sofern er nicht zugleich selbst das Amts- 
vorsteheramt bekleidet, das Organ des Amtsvorstehers für die Polizei- 
verwaltung. Der Gemeindevorsteher hat vermöge dessen das Recht und 
die Pflicht, da, wo die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung 
und Sicherheit ein sofortiges polizeiliches Einschreiten notwendig macht, 
das dazu Erforderliche vorläufig anzuordnen und ausführen zu lassen. 
Er hat insbesondere auch das Recht und die Pflicht zur vorläufigen 
Festnahme und Verwahrung einer Person gemäß §§ 127, 128 St PO. 
und § 6 des Ges. zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Februar 
1850 (GS. S. 45), zur Beaussichtigung der unter Polizeiaufsicht 
stehenden Personen, zur Ausführung der ihm von dem Amtsvorsteher 
1) Früher gab es erbliche Schulzen. Die sogenannten „Erbscholtiseien“, die 
mit einem Grundstück dinglich verbunden waren, ebenso wie das Recht der Guts- 
herrschaft zur Besetzung des Schulzenamts sind durch die KO. vom 18. Dezember 
1872 §§ 36— 40 aufgehoben worden. 
11“
	        
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