Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 57. Einkommensteuer. 205 
Veranlagung steht sowohl dem Steuerpflichtigen als auch dem Vorsitzenden 
der Veranlagungskommission binnen vier Wochen als Rechtsmittel zu: 
1. wenn die Veranlagung zu einem Einkommen von nicht mehr als 
3000 M. erfolgt ist, der Einspruch an die Veranlagungskommission 
und gegen die auf diesen Einspruch ergehende Entscheidung der Veran- 
lagungskommission die Berufung an die Berufungskommission, 
2. wenn die Veranlagung zu einem Einkommen von mehr als 
3000 M. erfolgt ist, die Berufung an die Berufungskommission. 
II. Ist durch die Entscheidung der Berufungskommission in dem 
Falle 1 Nr. 1 das steuerpflichtige Einkommen auf mehr als 3000 M. 
festgesetzt, so steht dagegen dem Steuerpflichtigen das Rechtsmittel der 
Beschwerde an das O. zu. 
u Gegen die Entscheidung der Berufungskommission in dem Falle 
1 Nr. 2 steht sowohl dem Steuerpflichtigen als auch dem Vorsitzenden 
der (Berufungskommission das Rechtsmittel der Beschwerde an das 
#G. zu. 
Über die Einsprüche entscheidet die Veranlagungskommission, welche 
eine genaue Feststellung der Vermögens= und Einkommensverhältnisse 
des Steuerpflichtigen zu veranlassen befugt ist. Für die Berufung 
wird unter dem Vorsitz eines von dem Finanzminister zu ernennenden 
Regierungskommissars eine Berufungskommission gebildet, deren Mit- 
glieder teils von der Regierung ernannt, teils von dem Provinzial- 
ausschuß aus den Einwohnern des Regierungsbezirks unter möglichster 
Berücksichtigung der verschiedenen Art des Einkommens auf die Dauer 
von 6 Jahren gewählt werden. 
Die Mitglieder der für Berlin zu bildenden Berufungskommission 
werden teils von dem Finanzminister ernannt, teils von dem Magistrat 
und der Stadtverordnetenversammlung in gemeinschaftlicher Sitzung 
unter dem Vorsitz des Bürgermeisters gewählt. Die Berufungskommission 
ist zu nochmaligen Erhebungen befugt. Gegen die Entscheidungen 
der Berufungskommission steht im Falle der Gesetzesverletzung beiderseits 
Beschwerde an das OVG. zu. 
7. Oberaufsicht. Die oberste Leitung des Veranlagungsgeschäfts 
im Staate gebührt dem Finanzminister, welcher zugleich über Be- 
schwerden gegen das Verfahren der Berufungskommissionen und der 
Vorsitzenden derselben, mit Ausnahme der Rechtsmittel, zu entscheiden hat. 
8. Veränderung der veranlagten Steuer innerhalb des Steuerjahres 
(§§ 61—66 n. F.). Diese erfolgt durch 
a) Steuererhöhung bei Vermehrung des Einkommens infolge Erb- 
anfalls, oder Fideikommiß, Vermächtnisses, Überlassungvertrages zwischen 
Eltern und Kindern, Verheiratung oder Schenkung vom Beginn des 
folgenden Monats ab, 
) Steuerermäßigung infolge Verminderung des Einkommens um 
mehr als ein Fünftel durch Wegfall einer Einnahmequelle oder außer- 
gewöhnliche Unglücksfälle und zwar vom Beginn des auf den Eintritt 
der Einkommensverminderung folgenden Monats. 
Auf den beim Vorsitzenden der Veranlagungskommission zu stellenden 
Antrag der Ermäßigung entscheidet die Regierung vorbehaltlich der 
 
	        
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