Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

288 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
Interessen die Begünstigung einzelner auf Kosten der Gesamtheit durch 
Erteilung unveräußerlicher Berechtigungen, der aus der Verschuldung 
entspringende Antrieb zum Verkauf von minderwertigen Arzneien und 
Geheimmitteln, die Verhinderung einer ausreichenden Apotheken- 
vermehrung durch Rücksichtnahme auf die Lebensfähigkeit teuer bezahlter 
Apotheken, schließlich die ständige Steigerung der Arzneipreise. Es 
wird insbesondere darauf hingewiesen, daß durch die soziale Gesetz- 
gebung der Arzneiverbrauch stark gestiegen ist, bei den Krankenkassen 
von 17½⅛ Millionen Mark im Jahre 1894 auf 32¼ Millionen Mark 
1904, von denen K/ durch die Arbeiter selbst aufgebracht wurden. 
Werden Arbeiter und Arbeitgeber durch das Gesetz zu diesen Auf- 
wendungen genötigt, so sind sie auch vor einer unberechtigten Steigerung 
der Arzneipreise zu bewahren. Bei der jetzt beabsichtigten Neuregelung 
bleiben die Wünsche der Apothekenbesitzer, die den Apotheken einen 
Realwert zuerkannt wissen wollen, unberücksichtigt. Von der in manchen 
Ländern bestehenden Niederlassungsfreiheit soll zur Vermeidung einer 
unbegrenzten Konkurrenz und deren schädlichen Folgen in Deutschland 
keine Rede sein, die vielfach gewünschte Verstaatlichung oder Kom- 
munalisierung wird für absehbare Zeit als undurchführbar bezeichnet. 
Sie würde z. Z. allein in Preußen etwa 300 Millionen Mark er- 
fordern. Infolgedessen beruht der Entwurf auf dem Grundsatz der 
unübertragbaren Personalkonzession. Die Konzession kann weder 
verkauft noch vererbt werden, sie erlischt nach § 12 mit dem Tode des 
Berechtigten. Um aber Härten für die Hinterbliebenen zu vermeiden, 
ist bei dem Tode oder der Entmündigung des Berechtigten, wenn eine 
Witwe, eine Ehefrau oder minderjährige eheliche Kinder vorhanden sind, 
diesen für den Fall der Bedürftigkeit der Weiterbetrieb auf ihre 
Rechnung durch einen approbierten Apotheker zu gestatten, und zwar 
der Witwe bis zur Wiederverheiratung, der Ehefrau bis zur Scheidung, 
den Kindern bis zur Großjährigkeit. Sind andere Hinterbliebene vor- 
handen (Schwestern usw.), so kann diesen der Weiterbetrieb auf ein 
Jahr gestattet werden. Geht die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke 
auf einen anderen über, so muß er nach § 11 die zur Einrichtung und 
zum Betriebe gehörigen Vorrichtungen, Gerätschaften und Waren- 
vorräte übernehmen, soweit sie sich in gutem Zustande befinden, und 
wenn die Hinterbliebenen es verlangen. UÜber sich hierbei ergebende 
Streitpunkte entscheidet ein Schiedsgericht. Nicht verlangt werden kann 
die ÜUbernahme des Apothekengrundstücks. Unberührt von diesen Be- 
stimmungen bleiben nach § 15 die schon bestehenden Realprivilegien 
und Realkonzessionen, um sowohl die berechtigten Interessen von deren 
Inhabern wie von deren Gläubigern zu schonen. Die Landesregierungen 
sind aber befugt, auf dem Wege der Gesetzgebung oder von Ver- 
waltungsmaßnahmen die Realwerte in Personalwerte umzuwandeln. 
Um dies zu ermöglichen, kann nach § 33 den Inhabern der Erlaubnis 
zum Anpothekenbetrieb eine Betriebsabgabe auferlegt werden. Neue 
Realkonzessionen dürfen überhaupt nicht mehr erteilt werden. In 
den Erläuterungen wird mitgeteilt, welche Absichten für Preußen be- 
stehen. Es soll eine in billiger Weise abgestufte Betriebsabgabe ein- 
  
 
	        
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