Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 149. Verfassung der katholischen Kirche. 643 
Vorschriften des Tridentiner Konzils, z. B. das Aufsichtsrecht über 
die Klöster, oder die Delegation ist eine spezielle, dann beruht sie auf 
dem freien Willen des Papstes (delegatio ab homine). Den Haupt- 
fall bilden die Quinquennalfakultäten (Vollmachten auf fünf Jahre), 
Dispensationen und Absolutionen für bestimmte Fill. In allen Fällen 
fungieren die Bischöfe tanquam sedis apostolicae delegati. 
Im einzelnen enthält die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt: 
a) das Recht der Gesetzgebung Secundum und praeter ius commune, 
b) das Recht der Dispensation innerhalb derselben Schranken, 
c) das Recht der Aufsicht über den ganzen Klerus seiner Diözese, 
über die Parochien und alle kirchlichen Anstalten, auch öffentliche 
Schulen. Er ist auch Disziplinarbehörde für die Geistlichen seiner 
Diözese (Ges. vom 12. Mai 1873, §§ 10, 32 ff. und dazu Ges. vom 
21. Mai 1886), 
2) das Recht zur Errichtung, Veränderung, Aufhebung, Besetzung 
aller kirchlichen niederen Amter. Alle Benefizien innerhalb der Dihzese 
werden vom Bischofe errichtet, verändert und besetzt. 
e) Das Recht der Besteuerung gegenüber seinen Diözesanen, namentlich 
dem Klerus gegenüber. 
Als Ehrenrechte stehen dem Bischof zu Krummstab (baculus pa- 
storalis), Pectorale (goldenes Brustkreuz), der Siegelring, die 
mitra oder infula genannte Kopfbedeckung aus weißer oder roter 
gestickter Seide mit auf die Schultern hängenden Bändern (infulaej, 
violette Toga, hohe Handschuhe und Sandalen, ein Thron in der 
Kathedrale, der Titel: Reverendissimus et illustrissimus dominus, 
in Preußen: Bischöfliche Hochwürden. Rang der Räte erster Klasse. 
Die Gehülfen des Bischofs. 
a) Die Domkapitel. 
Dem Bischofe stand schon in der ältesten Kirchenverfassung der 
Klerus seiner Kirche helfend zur Seite, besonders in der Seelsorge, 
Volksunterricht und in der Führung der Jurisdiktionsgewalt. Dise- 
Klerus bildete frühzeitig das Presbyterium, zusammengesetzt aus Pres- 
byteri und Diakoni. Beide Klassen führten den gemeinschaftlichen 
Namen Canonici. Seit dem 7. Jahrhundert wurde das Presbyterium 
ein festes Kollegium, welches zu einer Krommunis vita führte, wobei 
die Mitglieder zu einer gemeinschaftlichen Lebensweise, Wohnung und 
Gebet verpflichtet wurden. Die Mitglieder nannte man auch Regulares. 
760 führte Chrodegang, Bischof von Metz, für die dortigen Priester 
ein klosterähnliches Leben (vita canonica) nach einer besonderen 
Regel (canon) ein. Dies fand bald im ganzen Frankenreiche Nach- 
ahmung. Das regulierte Kollegium nannte man fortan Capitulum 
(von dem in den täglichen Versammlungen zur Verlesung gelangenden 
capitulum, der Domstiftsregel), die Mitglieder Capitulares. Die 
Kapitularen lebten mit dem Bischof in Gütergemeinschaft. Seit dem 
9. Jahrhundert hat sich dies geändert; die vita communis wird zur 
Ausnahme. Seitdem wird ein Unterschied gemacht zwischen Regular- 
und Säkularkapitel. Bei den letzteren werden aus der gemeinschaft- 
lichen Masse besondere Präbenden und Wohnungen für die Mitglieder ge- 
 
	        
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