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falls, meist schon in den 1850er und 1860er
Jahren, Wassergesetze erlassen worden, die sich zum
Teil an die bayrische Wassergesetzgebung von 1852
anlehnten.
3. Die ausländische Wassergesetzgebung ist
gleichfalls bedeutend. Eine Ubersicht gibt Mayr
(Die Verwertung der Wasserkräfte 11909] 65 bis
119). OÖsterreich hat ein Reichswassergesetz
vom 30. Mai 1869, in dessen Rahmen 16 Aus-
führungsgesetze für die einzelnen Kronländer er-
gangen sind. Anderungen daran werden vor-
bereitet. In der Schweiz ist das Wasser-
recht im allgemeinen Gegenstand der kantonalen
Gesetzgebung. Ein unterm 25. Okt. 1909 an-
genommener neuer Artikel der Bundesverfassung
(Art. 24 bis) hat jedoch dem Bund die Ober-
aussicht über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte
und weitgehende gesetzgeberische Kompetenzen ein-
geräumt. Ein Bundesausführungsgesetz dazu ist
in Vorbereitung. Die privatrechtliche Seite des
Wasserrechts ist in dem am 1. Jan. 1912 in Kraft
tretenden schweizerischen Zivilgesetzbuch im wesent-
lichen einheitlich geregelt, zum Teil mit neuen
Gedanken (Art. 689, 708/712). Die kantonale
Gesetzgebung ist in der letzten Zeit vielfach revi-
diert und modernisiert worden.
Durch die große Bedeutung, welche die Wasser-
kräfte in den letzten 20 Jahren für die Erzeugung
elektrischer Energie gewonnen haben, ist die Wasser-
gesetzgebung vielfach angeregt worden.
II. Einteilung der Gewässer. Eigentum.
1. Die Gewässer teilen sich nach ihrer natür-
lichen Beschaffenheit in fließende und stehende.
Fließende Gewässer (Wasserläufe) sind solche, die
oberirdisch in natürlichem oder künstlichem Bett
ständig fließen. Den Gegensatz bilden diestehen-
den (geschlossenen) Gewässer; das sind
die Brunnen und Zisternen, die nicht im Zug
eines Wasserlaufs liegenden Seen, Teiche und
Weiher, die abgeschlossenen Gräben und Wasser-
leitungen, das Regen= und Schneewasser, die
Quellen mit ihren Abflüssen und das Grundwasser.
Die geschlossenen Gewässer bilden einen Bestand-
teil des Grundstücks, auf oder unter dessen Ober=
fläche sie sich befinden; sie stehen im Eigentum
des Grundstückseigentümers.
2. Die Wasserläufe werden nach der Ver-
schiedenheit ihrer rechtlichen Behand-
lung in der Regel in öffentliche und nichtöffent-
liche (private) unterschieden. Die Entwürfe eines
preußischen Wassergesetzes von 1893 und 1906
haben jedoch diese Unterscheidung als ungeeignet
abgelehnt, und in den geltenden Gesetzen der Bun-
desstaaten ist die Frage, wie weit der Begriff der
öffentlichen Wasserläufe geht, verschieden beant-
wortet. Das Charakteristische der öffentlichen
Wasserläufe besteht darin, daß sie unter Leitung
und Aussicht des Staats in erster Linie dem Ge-
meingebrauch dienen und Sonderbenutzungsrechte
daran kraft Gesetzes nicht bestehen, vielmehr nur
durch obrigkeitliche Verleihung erlangt werden
Wasserrecht.
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können. Nach dem Code civil, in Bayern, Baden,
Elsaß-Lothringen, in einem Teil der mitteldeut-
schen Kleinstaaten, in Osterreich und andern Län-
dern zählen nur die schiffbaren oder mit verbun-
denen Hölzern floßbaren, im Gebiet des preußischen
Allgemeinen Landrechts bloß die schiffbaren Wasser-
läufe zu den öffentlichen Gewässern (deutschrecht-
liches Prinzip). Andere Gesetze folgen dem rö-
misch-rechtlichen Prinzip, wonach alle Wasserläufe
ohne Unterschied öffentliche Gewässer sind. So
Hessen, Württemberg, Weimar, Sachsen-Mei-
ningen, Braunschweig, Oldenburg, Ungarn u. a.
In Sachsen ist die Frage, welche Wasserläufe
öffentlich, welche privat sind, durch das Wasser-
gesetz von 1909 nicht geregelt worden und nach
wie vor bestritten. Seit den 1890er Jahren, wo
es gelang, die Elektrizität auf weite Entfernungen
nutzbar fortzuleiten, macht sich eine Bewegung
geltend, die im Interesse der Zusammenfassung
der kleinen Wasserkräfte zu großen Elektrizitäts-
werken auch die nicht schiff= und floßbaren Wasser-
läufe allenthalben zu öffentlichen Gewässern erklärt
wissen will. Gesetzgeberische Erfolge hat die Be-
wegung bisher nur insofern gehabt, als die neueren
Wassergesetze die staatlichen Aufsichtsrechte auch
über die nichtöffentlichen Wasserläufe verstärkt
haben. Das württembergische Wassergesetz von
1900, welches alle Wasserläufe als öffentliche be-
handelt, hat nur den althergebrachten Rechtszu-
stand aufrecht erhalten. (Klöti, Neuordnung des
Wasser= und Elektrizitätsrechts (1905); Schär,
Verstaatlichung der Wasserkräfte (1905]; Pflug-
hart, Grundzüge einer Bundesgesetzgebung über
die Wasserkräfte I ([19071), II (1909s1.) Das
Eigentum an den öffentlichen Gewöässern legen die
Gesetze entweder dem Staat bei oder sie behandeln
sie als Gemeingut. — Zu den privaten Wasser-
läufen gehören alle fließenden Gewässer, die nicht
öffentliche sind. Sie kommen nur da vor, wo der
Begriff der öffentlichen Wasserläufe sich nicht auf
alle fließenden Gewässer erstreckt. Die privaten
Wasserläufe stehen im Eigentum der Grundstücks-
anstößer, nach dem badischen Wassergesetz im Eigen-
tum der Gemarkungsgemeinden.
3. Wo das Bett eines Wasserlaufs und die an-
stoßenden Grundstücke verschiedenen Eigentümern
gehören, bestimmt sich im Zweifel die Grenze, die
Uferlinie, nach dem normalen mittleren Wasser-
stand; sie ist auf Verlangen zu vermarken. Nähere
Vorschriften geben die Gesetze über das Eigentum
an Verlandungen (aluvio und avulsio), an
neuentstandenen Inseln (insula in flumine nata)
und an dem verlassenen Bett (alveus dere-
lictus).
4. Soweit nicht die Wassergesetze etwas anderes
bestimmen, unterliegen die Gewässer den für
Grundstücke geltenden Vorschriften des all-
gemeinen bürgerlichen Rechts, insbeson-
dere dem Grundbuchs= und dem Enteignungsrecht.
Über alle, auch die nichtöffentlichen Gewässer üben
die Staatsbehörden in öffentlichem Interesse ein