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sonderer, wenn auch hinter den staatlichen zurück-
tretender Interessen noch auch von einer besondern
Korporationsverwaltungunter Aufsicht des Staats,
nach Maßgabe des von diesem gesetzten Rechts,
sprechen.
Die Idee der Selbstverwaltung ist aus einer
allgemeinen Betrachtung des Subjekts öffentlich-
rechtlicher Verwaltung zu entnehmen. Jede Rechts-
gemeinschaft muß die Ausführung gewisser Ma-
terien des von ihr gesetzten Rechts aus einem
doppelten Grund einzelnen, besonders qualifizierten
Personen übertragen: einerseits erfordert diese in
entwickelten Rechtsgemeinschaften Kenntnisse und
Fähigkeiten, die der Allgemeinheit fehlen, so daß
allgemeine Rechtsgebote auf den betreffenden Ge-
bieten nicht erlassen werden können; anderseits
kann die Herbeiführung der an die Befolgung oder
Nichtbefolgung von Rechtsnormen geknüpften Ver-
heißungen und Strafen nicht denjenigen im all-
gemeinen überlassen werden, in deren Interesse
die betreffenden Rechtsnormen in concreto Platz
greisen. Die Notwendigkeit einer besondern Kom-
petenzerteilung zur Rechtsausführung ergibt sich
hier aus der Wahrscheinlichkeit, daß, wie häufig
im Handeln der Menschen, das eigne Interesse in
unbewußten oder auch bewußten Widerspruch mit
ethischen Pflichten, ohne Rücksicht auf berechtigte
Interessen Dritter und unter Verletzung derselben,
verfolgt wird. Dieses voluntaristische Prinzip er-
leidet jedoch zugunsten des ersterwähnten intel-
lektualistischen gewisse Ausnahmen. Wegen der
Schwierigkeit der Erlangung der Kenntnis ge-
wisser Verhältnisse von sehr differenzierter und
wechselnder Natur muß Personen, die bei der
Reglung dieser Verhältnisse in weiterem Umfang
interessiert sind, als es der Staatsbürger im all-
gemeinen an der Staatsverwaltung ist, die Rechts-
ausführung, soweit die betreffenden Materien in
Frage kommen, übertragen werden. Diese Aus-
nahmen, deren Idee auf dem Gebiet der Rechts-
setzung in der Autonomie der Kommunen, der
Berufsgenossenschaften, Krankenkassen usw. ver-
wirklicht ist, kann man unter dem Begriff der
„Selbstverwaltung“ zusammenfassen. Der Um-
stand, daß irgend welche private, z. B. Vereins-
tätigkeit, materiell dieselben Zwecke verfolgt wie
gewisse Zweige der Staatsverwaltung, oder daß
solche private Tätigkeit vom Staat nicht nur ge-
duldet, sondern auch gebilligt wird, reicht natürlich
nicht hin, um solche Tätigkeit als Selbstverwal-
tung in dem hier gebrauchten Sinn zu charak-
terisieren. Eine solche Charakterisierung, wie sie,
wenngleich sehr vereinzelt, stattfindet, verwischt
den juristisch bedeutungsvollen Unterschied zwischen
Staatsakten und privaten Handlungen, die dann
alle, gleichviel welchem Zweck sie dienten und
welchen Erfolg sie hätten, sofern sie nur vom
Staat geduldet würden, konsequent als Selbst-
verwaltungsakte bezeichnet werden müßten. Daher
unterscheidet Stein zutreffend die Selbstverwal-
tung, wozu er neben der Tätigkeit der Gebiets-
Staatsverwaltung ufw.
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und Berufsverbände auch die beratende und
begutachtende Tätigkeit der Volksvertreter und
sonstiger den Organen der Staatsverwaltung bei-
gegebener Vertretungen rechnet, scharf von der
freien Verwaltung der Vereine. Ebensowenig
kann es für den Begriff der Selbstverwaltung er-
heblich sein, ob die von ihr ergriffenen Genossen-
schaften auf territorialer oder beruflicher Gemein-
schaft beruhen. Ein Gesetz, das z. B. hilfsbedürf-
tigen Personen von bestimmtem hohem Alter eine
Mitwirkung bei der Einrichtung der für ihre
Pflege und Versorgung dienenden Anstalten über-
trüge, würde ohne Zweifel als Grundlage für
einen Selbstverwaltungszweig dienen können. Die
Gemeinsamkeit der für die Einführung der Selbst-
verwaltung maßgebenden Interessen kann eben sehr
verschiedener Art sein. Dagegen ist es für das
Wesen einer Tätigkeit als Selbstverwaltung von
Bedeutung, daß die von ihr betroffenen Personen,
gleichviel ob sie in einem als juristische Person
erscheinenden Verband zusammengefaßt sind oder
nicht, sich dieser Verwaltung, die ja nur eine be-
sondere Art der Staatsverwaltung ist, beugen
müssen (ebenso Rosin). Es kann gegen diese Sub-
sumtion des Begriffs „Selbstverwaltung“ unter
den der „Staatsverwaltung“ nicht eingewendet
werden, daß die Organe der Selbstverwaltung
in dem ihnen zugewiesenen Gebiet von den Staats-
organen nicht zu bestimmtem Handeln angehalten
werden können. Dieser Umstand bedeutet lediglich
eine Kompetenzabgrenzung zwischen verschieden
organisierten Staatsbehörden. Den Selbstver-
waltungsorganen ist teils, wie bei den Kommunen,
ein großer Komplex der Angelegenheiten eines lokal
begrenzten Bezirks, dessen Bewohner diese Organe
wählen, übertragen, teils fungieren sie in sog.
Zweckverbänden, die nur ganz spezielle Angelegen-
heiten der im Verband zusammengefaßten Per-
sonen wahrzunehmen haben. Zuzugeben ist, daß
die Zugehörigkeit zu einem solchen Zweckverband
das Individuum in viel geringerer Weise berührt
als die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde; ein
derartiger Unterschied berechtigt aber nicht zu einer
prinzipiellen Scheidung der von den verschiedenen
Verbänden vorgenommenen Verwaltungshand-
lungen in Beziehung auf das Subjektl derselben.
Es muß vielmehr daran festgehalten werden, daß
überall da, wo der Staat individuell bestimmte
Personen mit einer bestimmten Kompetenz aus-
stattet, sei es, daß er sie durch ein anderes indi-
viduell bestimmtes Organ oder durch Wähler, die
gewisse Erfordernisse erfüllen müssen, berufen läßt,
der Staat es ist, der durch diese Organe handelt,
gleichviel, ob die Kompetenzabgrenzung des be-
treffenden Organs von andern räumlich oder rein
sachlich vorgenommen ist. Die räumliche Ab-
grenzung ist übrigens nicht nur bei den unmittel-
baren Staatsbeamten, sondern auch bei den mittel-
baren, worunter man im herkömmlichen Sinn nur
die Beamten der Gemeinden und größerer, sich
zum Teil mit den Staatsverwaltungsbezirken