Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

nächst nur langsam Boden. Da traf zu rechter Stunde vom 
westlichen Kriegsschauplatz her die sächsische 58. Infanterie- 
division ein und wurde sofort neben der um den Narew- 
übergang schwer ringenden 75. Reservedivision eingesetzt. 
Das Nähere darüber wird im nächsten Abschnitt zusammen- 
hängend geschildert. 
So schloß sich Anfang August der eherne Ring um die 
Russen in Mittelpolen immer enger. Die deutschen Flieger 
beobachteten regsten Bahnverkehr von Warschau auf Minsk 
zu, alle Straßen östlich der Weichsel waren mit zurückflu- 
tenden Kolonnen bedeckt, Polen westlich der Weichsel war 
von den Russen gesäubert. 
Naturgemäß stemmten sich die Russen dem Vordringen 
der Hindenburgarmeen mit allen Kräften entgegen. 
Das führte in den folgenden Tagen zu schweren Kämpfen 
der Armeegruppe Gallwitz und des rechten Flügels der Armee 
Scholtz zwischen Narew und Bug in schwierigem Wald= und 
Sumpfgelände. Die Nussen kämpften auf der inneren Lnie 
mit gutem Bahn= und Straßennetz, nahe ihren Versorgungs- 
stellen, die Deutschen mit langen Verbindungen durch wege- 
armes Land hinter sich, mit knapper Munition und durch 
wochenlangen Kampf bei Tag und Nacht aufs äußerste er- 
schöpft. 
Die Armeeabteilung Gallwitz drang mit ihrem linken 
Flügel südlich der Bahn Ostrolenka—Bialystok, die rechte 
Flügelgruppe der Armee Scholtz (4 Divisionen, dabei die 
sächsische s§. Infanteriedivision) nördlich dieser Bahn ost- 
wärts vor. 
Die Russen verteidigten hartnäckig Stellung auf Stellung 
und gingen Tag und Nacht zu heftigen Gegenangriffen über. 
Vor der Gallwitzfront kam es zu mehrtägiger Schlacht im 
Raume von Wonsewo, etwa halbwegs Noshan—Ostrow. Erst 
vom 10. August ab gaben die Russen, nachdem ihre letzten 
Heersäulen von der Weichsel her zurückgelangt waren, den 
Widerstand vor Hindenburgs Stoßkeil Gallwitz—Scholtz auf 
und gingen bis Mitte August über die Linie Osowiec—Siedlee 
zurück. 
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In die Hand der Hindenburger war eine riesige Anzahl 
Gefangner und unermeßliches Heeresgerät gefallen. Der 
Wille des Feindes zum Widerstand war gebrochen, nicht nur 
im freien Felde, sogar in den Festungen von Kowno bis 
Warschau. Sie fielen in den nächsten Wochen wie reife 
Früchte dem Sieger in die Hand: Warschau am 5. August, 
Praga am 8. August, Lomsha am 10. August, Kowno am 
17. August, Nowo Georgiewst am 20. August, Osowiec am 
22. August, Brest Litowsk und Olita am 26. August, endlich 
auch Grodno am 4. September. 
Die ursprüngliche Absicht der russischen Heeresleitung, auf 
der Linie Kowno—Grodno—Brest Litowst Front zu machen 
und einen neuen Feldzug zu beginnen, mußte aufgegeben 
werden. Das Russenheer kämpfte nur noch für Rettung und 
Rückzug, instinktiv entronn es damit dem ihm drohenden 
Schicksal der Einkreisung. 
Die Linie, welche die Heere der Mittelmächte bis Mitte 
August erreichten, ist aus Skizze é4s8 ersichtlich. 
Mit der Einnahme der russischen Festungen war in die 
Heeresbewegungen zunächst ein gewisser Abschluß gekommen. 
Es galt nunmehr die Kräfte für die nächst erwachsenden 
Aufgaben der Heeresleitung zurechtzuschieben. Im Westen 
mußte der große französische Durchbruchsversuch, auf den 
die russische Heeresleitung mit Schmerzen seit Monaten ge- 
wartet hatte, endlich erfolgen. 
Im Süden verlangte die Abrechnung mit den Serben und 
Italienern neue Kräfte. Das führte in der nächsten Zeit 
zur Stillegung des Bewegungskriegs auf der südlichen Hälfte 
der Russenfront, während der unermüdliche Oberbefehls- 
haber Ost noch einmal seine seit Monaten in Atem gehaltenen 
Armeen neugruppierte, um durch eine letzte, echt hindenbur- 
gische Einkreisungsbewegung wenigstens der Nordhälfte der 
noch im Felde stehenden Russenheere ein „Cannae“ zu be- 
reiten. « 
ZunächstsollnundieDätigkeitder58.Jnfanteriedivision 
bei der Armee Scholtz am Narew im Zusammenhang dar- 
gestellt werden. 
Die 58. Iufanteriedivisson in Rußland 
Die 58. Infanteriedivision bei der Armee Scholtz 
Die Erzwingung des Narewüberganges und der Vor- 
marsch bis Bialystok 
Die Division stand am 19. Juli 1915 im Raume von 
Noubair in Französisch-Flandern. Da traf am Abend der 
Befehl zum Abtransport mit unbekanntem Ziele ein. Schon 
am nächsten Morgen 10 Uhr fuhr der erste Zug ab, und 
nach 46stündiger Eisenbahnfahrt wurde die Division in 
Ostpreußen dicht an der russischen Grenze in Johannisburg 
und Kolno ausgeladen. Sie wurde der achten Armee des 
Generals der Artillerie v. Scholtz unmittelbar unterstellt. 
Die Division bestand zu dieser Zeit aus nachstehenden 
sächsischen Truppen: 
116. Infanteriebrigade (Generalmajor Kaden): Infan- 
terieregiment 106 und Infanterieregiment 107, 
außerdem das württembergische Reserve-Infanterie- 
regiment 120. 
4. Eskadron Ulanen 18. 
Nadfahrerkompagnie 58. 
Pionierkompagnie 115 mit Scheinwerferzug 118. 
53. Feldartilleriebrigade: Feldartillerieregiment 113 
(Sachsen) und Feldartillerieregiment 116 (Württem- 
berger), zusammen 12 Batterien zu je 4 Geschützen 
und 4 leichten Munitionskolonnen, außerdem noch 
eine württembergische Pionierkompagnie 116 mit 
Dioisionsbrückentrain, 1 Fernsprechdoppelzug s8. 
Fußartilleriebataillon I8 mit 2 Batterien und 2 Muni- 
tionskolonnen, dazu 1 Infanterie= und 4 Feldartil- 
lerie-Munitionskolonnen. 
Kraftwagenkolonne "8, 1 Sanitätskompagnie und 4 
Feldlazarette, 2 Proviant= und 3 Fuhrparkkolon= 
nen, Feldbäckereikolonne, Pferdedepot und Pferde- 
lazarett. 
Die Division unterstand dem Generalleutnant v. Gers- 
dorff, sein Generalstabsoffizier war Major Stäcker. Ihre 
Gefechtsstärke betrug bei Beginn des Narewfeldzugs 253 
Offiziere, 10 120 Mann, 23 Maschinengewehre, 47 Feld- 
und 8 schwere Geschütze. 
Bereits am 25. Juli trat die Division den Vormarsch in 
die Gegend von Wyk an. Sie sollte zunächst den Narew 
überschreiten und dann jenseits des Narew weiter vorstoßen, 
sobald die 7s. Reservedivision, welche dem sächsischen Ge- 
neralleutnant v. Seydewitz unterstand, den Ubergang über 
den Narew erkämpft haben würde. Der tiefsandige Weg, 
welcher jeden Kraftwagenverkehr völlig ausschloß, gab einen 
Vorgeschmack der russiseben Wege. 
Die 75. Reservedivision hatte bereits mit schwachen Teilen 
den Ubergang über den Narew erzwungen. Der Brücken- 
bau war in der Nähe der Szkwamündung bei der sogenann- 
ten Wasserfähre bereits im Gange. Zunächst wurde die ge- 
samte Artillerie der 58. Infanteriedivision auf beiden Ufern 
der Szkwa zur Unterstützung der 75. Reservedioision ein- 
gesetzt und dann am 23. Juli die gesamte 38. Infanterie-
	        
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