nächst nur langsam Boden. Da traf zu rechter Stunde vom
westlichen Kriegsschauplatz her die sächsische 58. Infanterie-
division ein und wurde sofort neben der um den Narew-
übergang schwer ringenden 75. Reservedivision eingesetzt.
Das Nähere darüber wird im nächsten Abschnitt zusammen-
hängend geschildert.
So schloß sich Anfang August der eherne Ring um die
Russen in Mittelpolen immer enger. Die deutschen Flieger
beobachteten regsten Bahnverkehr von Warschau auf Minsk
zu, alle Straßen östlich der Weichsel waren mit zurückflu-
tenden Kolonnen bedeckt, Polen westlich der Weichsel war
von den Russen gesäubert.
Naturgemäß stemmten sich die Russen dem Vordringen
der Hindenburgarmeen mit allen Kräften entgegen.
Das führte in den folgenden Tagen zu schweren Kämpfen
der Armeegruppe Gallwitz und des rechten Flügels der Armee
Scholtz zwischen Narew und Bug in schwierigem Wald= und
Sumpfgelände. Die Nussen kämpften auf der inneren Lnie
mit gutem Bahn= und Straßennetz, nahe ihren Versorgungs-
stellen, die Deutschen mit langen Verbindungen durch wege-
armes Land hinter sich, mit knapper Munition und durch
wochenlangen Kampf bei Tag und Nacht aufs äußerste er-
schöpft.
Die Armeeabteilung Gallwitz drang mit ihrem linken
Flügel südlich der Bahn Ostrolenka—Bialystok, die rechte
Flügelgruppe der Armee Scholtz (4 Divisionen, dabei die
sächsische s§. Infanteriedivision) nördlich dieser Bahn ost-
wärts vor.
Die Russen verteidigten hartnäckig Stellung auf Stellung
und gingen Tag und Nacht zu heftigen Gegenangriffen über.
Vor der Gallwitzfront kam es zu mehrtägiger Schlacht im
Raume von Wonsewo, etwa halbwegs Noshan—Ostrow. Erst
vom 10. August ab gaben die Russen, nachdem ihre letzten
Heersäulen von der Weichsel her zurückgelangt waren, den
Widerstand vor Hindenburgs Stoßkeil Gallwitz—Scholtz auf
und gingen bis Mitte August über die Linie Osowiec—Siedlee
zurück.
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In die Hand der Hindenburger war eine riesige Anzahl
Gefangner und unermeßliches Heeresgerät gefallen. Der
Wille des Feindes zum Widerstand war gebrochen, nicht nur
im freien Felde, sogar in den Festungen von Kowno bis
Warschau. Sie fielen in den nächsten Wochen wie reife
Früchte dem Sieger in die Hand: Warschau am 5. August,
Praga am 8. August, Lomsha am 10. August, Kowno am
17. August, Nowo Georgiewst am 20. August, Osowiec am
22. August, Brest Litowsk und Olita am 26. August, endlich
auch Grodno am 4. September.
Die ursprüngliche Absicht der russischen Heeresleitung, auf
der Linie Kowno—Grodno—Brest Litowst Front zu machen
und einen neuen Feldzug zu beginnen, mußte aufgegeben
werden. Das Russenheer kämpfte nur noch für Rettung und
Rückzug, instinktiv entronn es damit dem ihm drohenden
Schicksal der Einkreisung.
Die Linie, welche die Heere der Mittelmächte bis Mitte
August erreichten, ist aus Skizze é4s8 ersichtlich.
Mit der Einnahme der russischen Festungen war in die
Heeresbewegungen zunächst ein gewisser Abschluß gekommen.
Es galt nunmehr die Kräfte für die nächst erwachsenden
Aufgaben der Heeresleitung zurechtzuschieben. Im Westen
mußte der große französische Durchbruchsversuch, auf den
die russische Heeresleitung mit Schmerzen seit Monaten ge-
wartet hatte, endlich erfolgen.
Im Süden verlangte die Abrechnung mit den Serben und
Italienern neue Kräfte. Das führte in der nächsten Zeit
zur Stillegung des Bewegungskriegs auf der südlichen Hälfte
der Russenfront, während der unermüdliche Oberbefehls-
haber Ost noch einmal seine seit Monaten in Atem gehaltenen
Armeen neugruppierte, um durch eine letzte, echt hindenbur-
gische Einkreisungsbewegung wenigstens der Nordhälfte der
noch im Felde stehenden Russenheere ein „Cannae“ zu be-
reiten. «
ZunächstsollnundieDätigkeitder58.Jnfanteriedivision
bei der Armee Scholtz am Narew im Zusammenhang dar-
gestellt werden.
Die 58. Iufanteriedivisson in Rußland
Die 58. Infanteriedivision bei der Armee Scholtz
Die Erzwingung des Narewüberganges und der Vor-
marsch bis Bialystok
Die Division stand am 19. Juli 1915 im Raume von
Noubair in Französisch-Flandern. Da traf am Abend der
Befehl zum Abtransport mit unbekanntem Ziele ein. Schon
am nächsten Morgen 10 Uhr fuhr der erste Zug ab, und
nach 46stündiger Eisenbahnfahrt wurde die Division in
Ostpreußen dicht an der russischen Grenze in Johannisburg
und Kolno ausgeladen. Sie wurde der achten Armee des
Generals der Artillerie v. Scholtz unmittelbar unterstellt.
Die Division bestand zu dieser Zeit aus nachstehenden
sächsischen Truppen:
116. Infanteriebrigade (Generalmajor Kaden): Infan-
terieregiment 106 und Infanterieregiment 107,
außerdem das württembergische Reserve-Infanterie-
regiment 120.
4. Eskadron Ulanen 18.
Nadfahrerkompagnie 58.
Pionierkompagnie 115 mit Scheinwerferzug 118.
53. Feldartilleriebrigade: Feldartillerieregiment 113
(Sachsen) und Feldartillerieregiment 116 (Württem-
berger), zusammen 12 Batterien zu je 4 Geschützen
und 4 leichten Munitionskolonnen, außerdem noch
eine württembergische Pionierkompagnie 116 mit
Dioisionsbrückentrain, 1 Fernsprechdoppelzug s8.
Fußartilleriebataillon I8 mit 2 Batterien und 2 Muni-
tionskolonnen, dazu 1 Infanterie= und 4 Feldartil-
lerie-Munitionskolonnen.
Kraftwagenkolonne "8, 1 Sanitätskompagnie und 4
Feldlazarette, 2 Proviant= und 3 Fuhrparkkolon=
nen, Feldbäckereikolonne, Pferdedepot und Pferde-
lazarett.
Die Division unterstand dem Generalleutnant v. Gers-
dorff, sein Generalstabsoffizier war Major Stäcker. Ihre
Gefechtsstärke betrug bei Beginn des Narewfeldzugs 253
Offiziere, 10 120 Mann, 23 Maschinengewehre, 47 Feld-
und 8 schwere Geschütze.
Bereits am 25. Juli trat die Division den Vormarsch in
die Gegend von Wyk an. Sie sollte zunächst den Narew
überschreiten und dann jenseits des Narew weiter vorstoßen,
sobald die 7s. Reservedivision, welche dem sächsischen Ge-
neralleutnant v. Seydewitz unterstand, den Ubergang über
den Narew erkämpft haben würde. Der tiefsandige Weg,
welcher jeden Kraftwagenverkehr völlig ausschloß, gab einen
Vorgeschmack der russiseben Wege.
Die 75. Reservedivision hatte bereits mit schwachen Teilen
den Ubergang über den Narew erzwungen. Der Brücken-
bau war in der Nähe der Szkwamündung bei der sogenann-
ten Wasserfähre bereits im Gange. Zunächst wurde die ge-
samte Artillerie der 58. Infanteriedivision auf beiden Ufern
der Szkwa zur Unterstützung der 75. Reservedioision ein-
gesetzt und dann am 23. Juli die gesamte 38. Infanterie-