R. Die Genossenschaften und der Krieg 303
anlegen müssen, also erheblichen Geldbedarf haben, zu dessen Befriedigung
die Genossenschaften berufen sind. Hierauf müssen sie sich einrichten.
Hierzu wird der Abbau der Schuldnergesetzgebung kommen, die
heute noch manchen Geschäftsmann sichert. Soll dieser Abbau nicht von
zahlreichen Zusammenbrüchen begleitet sein, soll das neue Leben, das wir
nach dem Kriege erwarten, nicht aus Ruinen erblühen, so wird es der tat—
kräftigen Mitarbeit der Kreditgenossenschaften nicht entbehren können.
II. Die Handwerkergenossenschaften.
a) Die Organisation des Derdingungswesens.
Auch die Handwerkergenossenschaften hatten infolge des Krieges
mit Schwierigkeiten zu kämpfen; alle Schwierigkeiten, unter denen das Hand-
werk zu leiden hatte, traten auch bei ihnen zutage. Nach den Erbebungen
des Handwerks= und Gewerbekammertags sind 218 500 selbständige Hand-
werker zu den Fahnen einberufen, davon mußten 126 515, das sind 57,0 %
ihre Betriebe schließen. Das konnte nicht ohne Rückwirkung auf die Genossen-
schaften bleiben, wozu kommt, daß diese selbst durch Einberufung von Dor-
stands= und Aufsichtsratsmitgliedern mitunter Mühe hatten, den Geschäfts-
betrieb geordnet weiter zu führen. Die größte Schwierigkeit entstand aber
aus dem Mangel an Rohstoffen, der zeitweise den Betrieb völlig lahmzu-
legen drohte. Gleichwohl sind die Genossenschaften bisher über die Kriegs-
zeit überraschend gut hinweggekommen; nicht wenige haben sich den Be-
dürfnissen der Kriegszeit schnell anzupassen vermocht, wovon die Geschäfts-
erträgnisse beredtes Seugnis ablegen. Der Erfolg ist zurückzuführen auf die
Rührigkeit und Geschäftsgewandtheit der betreffenden Derwaltungen, sowie
darauf, daß die Heeresaufträge vergebenden Stellen das Handwerk ange-
messen berücksichtigen.
Hierbei zeigte sich nun als sehr hinderlich, daß das Handwerk eine fest-
gefügte, bewährte Organisation noch nicht besaß, um geschlossen größere Auf-
träge übernehmen zu können. Es konnte der Heeresverwaltung natürlich
nicht zugemutet werden, mit Tausenden einzelner Hhandwerker in Der-
bindung zu treten und mit jedem einzelnen besondere Derträge zu schließen.
Hier erwies sich eine Organisation des HBandwerks als erforderlich, die in
der Lage war, Aufträge zu übernehmen und unter Uberwachung der Aus-
führung gute und pünktliche Arbeit zu gewährleisten. Allerdings hatte der
Allgemeine Deutsche Genossenschaftsverband im Jahre 1910 im Hinblick
auf die immer größer werdende Bedeutung der öffentlichen Arbeitsver-
gebungen (Submissionen) auf die Errichtung von Lieferungs-(Submissions)=
Genossenschaften hingewiesen und auch Leitsätze für ihre Einrichtung und ihre
Geschäftsführung aufgestellt. Das Handwerk selbst verhielt sich indessen
zunächst ablehnend. Erst als im Jahre 1015 der Handwerks= und Gewerbe-
kammertag in Gemeinschaft mit dem Allgemeinen Deutschen Genossen-
schaftsverband und dem Hauptverband gewerblicher Genossenschaften sowie
einigen andern wirtschaftlichen Derbänden sich der Angelegenheit annahm,
kam die Sache in Fluß. Die Arbeit war noch im Werden, als der Krieg aus-
brach.