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Daß auch handelspolitische Beweggründe zur Erwerbung von Kolonien
Anlaß geben, ist selbstverständlich, und sie sind zugleich dessen Rechtfertigung.
Wenn sich Deutschland nicht völlig und auf immer von diesen Küsten,
den Vorratskammern so vieler unentbehrlicher Rohprodukte — man denke
nur in dieser Zeit der Elektrizität allein an den Kautschuk — ausschließen
lassen wollte, so mußte es in den Wettlauf der übrigen Mächte nach den
hergebrachten Bräuchen desselben eintreten. In dieser Weise sind zur
Zeit dem Deutschen Reiche in Afrika insgesamt 2417000 qkm überliefert
worden. Die Gebiete Portugals, der unter belgischem Schutz stehende
Kongostaat, das Überbleibsel, das sich die Türkei erhalten hat, sind
ungefähr von gleicher Größe. Englands Anteil ist doppelt so groß,
Frankreich steht mit 3338216 qkm in der Mitte. Die Anteile Italiens
und Spaniens betragen etwa je ein Drittel, 816000 und 710 000 qkm.)
Am schönsten scheint die Union von Amerika dazustehen, die an
der Westküste, der sogenannten Pfefferküste, schon am Anfang des vorigen
Jahrhunderts den Negerfreistaat „Liberia“ gründete, wo vielleicht die
in der Union selbst als freie Bürger sich wenig bewährenden früheren
Sflaven (meist Bantu) Gelegenheit finden, ein naturgemäßes Leben aufs
neue zu beginnen, während sie sich in die Kultur, die sie in den Ver-
einigten Staaten umgibt, nicht einleben zu können scheinen. Sie verfallen
dort dem ständigen Proletariat und der landesüblichen Lynchjustiz.
Ideal sind die Zustände in Liberia freilich auch nicht. Doch liefert diese
Republik gute Arbeiter und Soldaten auch für unseren Bedarf in Kamerun.
Noch ein Wort über die Mission.
Der Islam hat das im Norden Afrikas bereits eingebürgert gewesene
Christentum wieder verdrängt, und die christliche Mission hat gegen ihn
einen schweren Stand.
Es ist eine gar gewaltige Erscheinung, diese Mission, an der sich
alle Völker beteiligen.
*) Man pflegt Rußland als kolonisierende Macht nicht in Betracht zu ziehen.
Und auf dem Boden Afrikas scheint dieses gewaltige Reich in der Tat auf jeden
Einfluß verzichtet zu haben. Man darf das dem Umstande zuschreiben, daß Rußland
seine „Ergänzungszone“ in Asien sucht und vorläufig mit der Kolonisierung Nord-
asiens vollauf beschäftigt ist. Sibirien allein umfaßt ein Gebiet von 12500 000 qkm.
Es ist nicht verwunderlich, wenn Rußland immer wieder den Versuch macht, dieses
Riesengebiet durch Gewinnung von eisfreien Häsen am Stillen Ozean handelspolitisch
zu beleben. Und auch Deutschland dürfte an der Aufschließung desselben ein In-
teresse haben.