Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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§. 772. 
Befindet sich eine herauszugebende Sache im Gewahrsam eines Dritten, 
so ist dem Gläubiger auf dessen Antrag, der Anspruch des Schuldners auf 
Herausgabe der Sache nach den Vorschriften zu überweisen, welche die Pfändung 
einer Geldforderung betreffen. 
§. 773. 
Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, 
deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von 
dem Prozeßgericht erster Instanz auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des 
Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen. 
Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung 
der Kosten zu verurtheilen, welche durch die Vornahme der Handlung entstehen 
werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme 
der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht. 
Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung 
von Sachen finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung. 
§. 774. 
Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so 
ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag 
von dem Prozeßgericht erster Instanz zu erkennen, daß der Schuldner zur Vor= 
nahme der Handlung durch Geldstrafen bis zum Gesammtbetrage von fünfzehn= 
hundert Mark oder durch Haft anzuhalten sei. 
Diese Bestimmung kommt im Falle der Verurtheilung zur Eingehung einer 
Ehe nicht und im Falle der Verurtheilung zur Herstellung des ehelichen Lebens 
nur insoweit zur Anwendung, als die Landesgesetze die Erzwingung der Her= 
stellung des ehelichen Lebens für zulässig erklären. 
§. 775. 
Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unter= 
lassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer 
jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Glaubigers von dem Prozeßgericht erster 
Instanz zu einer Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder zur Strafe der 
Haft bis zu sechs Monaten zu verurtheilen. Das Maß der Gesammtstrafe darf 
zwei Jahre Haft nicht übersteigen. 
Der Verurtheilung muß eine Strafandrohung vorausgehen, welche, wenn 
sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urtheile nicht enthalten ist, auf 
Antrag von dem Progzeßgericht erster Instanz erlassen wird. 
Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer 
Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlung entstehenden Schaden auf bestimmte 
Zeit verurtheilt werden. 
§. 776. 
Die in Gemähheit der §§ 773—775 zu erlassenden Entscheidungen können 
ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Vor der Entscheidung ist 
der Schuldner zu hören.
	        
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