Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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§. 96. 
Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher 
Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte 
darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das 
Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohle des 
Reichs oder eines Bundesstaates Nachtheil bereiten würde. 
§. 97. 
Schriftliche Mittheilungen zwischen dem Beschuldigten und denjenigen Per= 
sonen, die wegen ihres Verhältnisses zu ihm nach §§. 51, 52 zur Verweigerung 
des Zeugnisses berechtigt sind, unterliegen der Beschlagnahme nicht, falls sie sich 
in den Händen der letzteren Personen befinden und diese nicht einer Theilnahme, 
Begünstigung oder Hehlerei verdächtig sind. 
§. 98. 
Die Anordnung von Beschlagnahmen steht dem Richter, bei Gefahr im 
Verzug auch der Staatsanwaltschaft und denjenigen Polizei- und Sicherheits= 
beamten zu, welche als Hülfsbeamte der  Staatsanwaltschaft den Anordnungen 
derselben Folge zu leisten haben. 
Ist die Beschlagnahme ohne richterliche Anordnung erfolgt, so soll der 
Beamte, welcher die Beschlagnahme angeordnet hat, binnen drei Tagen die 
richterliche Bestätigung nachsuchen, wenn bei der Beschlagnahme weder der 
davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war, oder wenn 
der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger 
desselben gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. 
Der Betroffene kann jederzeit die richterliche Entscheidung nachsuchen. So lange 
die öffentliche Klage noch nicht eroben ist, erfolgt die Entscheidung durch den 
Amtsrichter, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat. 
Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staats= 
anwaltschaft oder einen Polizei- oder Sicherheitsbeamten erfolgt, so ist binnen 
drei Tagen dem Richter von der Beschlagnahme Anzeige zu machen und sind 
demselben die in Beschlag genommenen Gegenstände zur Verfügung zu stellen. 
Beschlagnahmen in militärischen Dienstgebäude , zu welchen auch Kriegs= 
fahrzeuge gehören, erfolgen durch Ersuchen der Militärbehörde, und auf Ver= 
langen der Civilbehörde (Richter, Staatsanwaltschaft) unter deren Mitwirkung. 
Des Ersuchens der Militärbehörde bedarf es jedoch nicht, wenn die Beschlagnahme 
in Räumen vorzunehmen ist, welche in militärischen Dienstgebäuden ausschließlich 
von Civilpersonen bewohnt werden. 
§. 99. 
Zulässig ist die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Briefe 
und Sendungen auf der Post sowie der an ihn gerichteten Telegramme auf 
den Telegraphenanstalten; desgleichen ist zulässig an den bezeichneten Orten die 
Beschlagnahme solcher Briefe, Sendungen und Telegramme, in Betreff derer 
Thatsachen vorliegen, aus welchen zu schließen ist, daß sie von dem Beschuldigten
	        
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