Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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Der Angeklagte ist, auch wenn ein Vertheidiger für ihn gesprochen hat 
zu befragen, er selbst noch etwas zu seiner Vertheidigung anzuführen habe. 
§. 258. 
Einem der Gerichtssprache nicht mächiigen Angeklagten müssen aus den 
Schlußvorträgen mindestens die Anträge der Staatsanwaltschaft und des Ver= 
theidigers durch den Dolmetscher bekannt gemacht werden. 
Dasselbe gilt von einem tauben Angeklagten, sofern nicht eine schriftliche 
Verständigung erfolgt. 
§. 259. 
Die Hauptverhandlung schließt mit der Erlassung des Urtheils. Das 
Urtheil kann nur auf Freisprechung, Verurtheilung oder Einstellung des Ver= 
fahrens lauten. 
Die Einstellung des Verfahrens ist auszusprechen, wenn bei einer nur 
auf Antrag zu verfolgenden  strafbaren Handlung sich ergiebt, daß der erforder= 
liche Antrag nicht vorliegt, oder wenn der Antrag rechtzeitig zurückgenommen ist. 
§. 260. 
Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner 
freien, aus dem Inbegriffe der Verhandlung geschöpften Ueberzeugung. 
§. 261. 
Hängt die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurtheilung eines bürger= 
lichen Rechtsverhältnisses ab, so entscheidet das Strafgericht auch über dieses nach 
den für das Verfahren und den Beweis in Strafsachen geltenden Vorschriften. 
Das Gericht ist jedoch befugt, die Untersuchung auszusetzen und einem 
der Betheiligten zur Erhebung der Civilklage eine Frist zu bestimmen oder das 
Urtheil des Civilgerichts abzuwarten. 
§. 262. 
Zu einer jeden dem Angeklagten nachtheiligen Entscheidung, welche die 
Schuldfrage betrifft, ist eine Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen er= 
forderlich. 
Die Schuldfrage begreift auch solche von dem Strafgesetze besonders 
vorgesehene Umstände, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder 
erhöhen. 
Die Schuldfrage begreift nicht die Voraussetzungen des Rückfalles und 
der Verjährung. 
§. 263. 
Gegenstand der Urtheilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete That, 
wie sich dieselbe nach dem Ergebnisse der Verhandlung darstellt. 
Das Gericht ist an diejenige Beurtheilung der That, welche dem Beschlusse 
über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu Grunde liegt, nicht gebunden.
	        
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