Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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§. 264. 
Eine Verurtheilung des Angeklagten auf Grund eines anderen als des 
in dem Beschlusse über die Eröffnung des Hauptverfahrens angeführten Straf= 
gesetzes darf nicht erfolgen, ohne daß der Angeklagte zuvor auf die Verände= 
rung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit 
zur Vertheidigung gegeben worden ist. 
In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn erst in der Verhandlung solche 
vom Strafgesetze besonders vorgesehene Umstände behauptet werden, welche die 
Strafbarkeit erhöhen. 
Bestreitet der Angeklagte, unter der Behauptung auf die Vertheidigung 
nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die 
Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als 
des in dem Beschlusse über die Eröffnung des Hauptverfahrens angeführten, 
oder welche zu den im zweiten Absatze bezeichneten gehören, so ist auf seinen 
Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen. 
Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen die Haupt= 
verhandlung auszusetzen, falls dies in Folge der veränderten Sachlage zur 
genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Vertheidigung ungenusssen er= 
scheint. 
Auf die in §. 244 Abs. 2 bezeichneten Verhandlungen findet die Vorschrift 
des dritten Absatzes nicht Anwendung. 
§. 265. 
Wird der Angeklagte im Laufe der Hauptverhandlung noch einer anderen 
That beschuldigt, als wegen welcher das Hauptverfahren wider ihn eröffnet 
worden, so kann dieselbe auf Antrag der Staatsanwaltschaft und mit Zustim= 
mung des Angeklagten zum Gegenstande derselben Aburtheilung gemacht werden. 
Diese Bestimmung findet nicht Anwendung, wenn die That als ein Ver= 
brechen sich darstellt oder die Aburtheilung derselben die Zuständigkeit des Gerichts 
überschreitet. 
§. 266. 
Wird der Angeklagte verurtheilt, so müssen die Urtheilsgründe die für 
erwiesen erachteten Thatsachen angeben, in welchen die gesetzlichen Merkmale 
der strafbaren Handlung gefunden werden. Insoweit der Beweis aus anderen 
Thatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Thatsachen angegeben  werden. 
Waren in der Verhandlung solche vom Strafgesetze besonders vorgesehene 
Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern 
oder erhöhen, so müssen die Urtheilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese 
Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden. 
Die Gründe des Strafurtheils müssen ferner das zur Anwendung ge= 
brachte Strafgesetz bezeichnen und sollen die Umstände anführen, welche für die 
Zumessung der Strafe bestinmmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz die An= 
wendung einer geringeren Strafe von dem Vorhandensein mildernder Umstände 
im Allgemeinen abhängig) so müssen die Urtheilsgründe die hierüber getroffene 
Reichs-Gesetzbl. 1877. 41
	        
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