Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

— 341 — 
Siebentes Buch. 
Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens. 
Erster Abschnitt. 
Strafvollstreckung. 
§ 481. 
Strafurtheile sind nicht vollstreckbar, bevor sie rechtskräftig geworden sind. 
§. 482. 
Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist unverkürzt diejenige Unter= 
suchungshaft anzurechnen, welche der Angeklagte erlitten hat, seit er auf Ein= 
legung eines Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte Rechtsmittel zurück= 
genommen hat, oder seitdem die Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne daß er eine 
Erklärung abgegeben hat. §. 483 
Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft auf Grund 
einer von dem Gerichtsschreiber zu ertheilenden, mit der Bescheinigung der Voll= 
streckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Urtheilsformel. 
Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung nicht zu. 
Für die zur Zustandigkeit der Schöffengerichte gehörigen Sachen kann 
durch Anordnung der Landesjustizverwaltung die Strafvollstreckung den Amts= 
richtern übertragen werden. §. 484 
In Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt hat, steht 
das Begnadigungsrecht dem Kaiser zu. 
§. 485. 
Todesurtheile bedürfen zu ihrer Vollstreckung keiner Bestätigung. Die Voll= 
streckung ist jedoch erst zulässig, wenn die Entschließung des Staatsoberhauptes 
und in Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt hat, die 
Entschließung des Kaisers ergangen ist, von dem Begnadigungsrechte keinen 
Gebrauch machen zu wollen. 
An schwangeren oder geisteskranken Personen darf ein Todesurtheil nicht 
vollstreckt werden.   
§. 486. 
Die Vollstreckung der Todesstrafe erfolgt in einem umschlossenen Raume. 
Bei der Vollstreckung müssen zwei Mitglieder des Gerichts erster Instanz, 
ein Beamter der Staatsanwaltschaft, ein Gerichtsschreiber und ein Gefängnis= 
beamter zugegen sein. Der Gemeindevorstand des Orts, wo die Hinrichtung 
stattfindet, ist aufzufordern zwölf Personen aus den Vertretern oder aus anderen 
achtbaren Mitgliedern der Gemeinde abzuordnen, um der Hinrichtung beizuwohnen. 
Reichs-Gesetzbl. 1877. 49
	        
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