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Die Beiordnung eines nicht ständigen Richters darf, wenn sie auf eine
bestimmte Zeit erfolgte, vor Ablauf dieser Zeit, wenn sie auf unbestimmte Zeit
erfolgte, so lange das Bedürfniß, durch welches sie veranlaßt wurde, fortdauert,
nicht widerrufen werden. Ist mit der Vertretung eine Entschädigung verbunden,
so ist diese für die ganze Dauer im voraus festzustellen.
Unberührt bleiben diejenigen landesgesetzlichen Bestimmungen, nach welchen
richterliche Geschäfte nur von ständig angestellten Richtern wahrgenommen
werden können, sowie diejenigen, welche die Vertretung durch ständig angestellte
Richter regeln.
§. 70.
Vor die Civilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen,
gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche nicht den Amtsgerichten zu-
gewiesen sind.
Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes
ausschließlich zuständig:
1. für die Ansprüche, welche auf Grund des Gesetzes vom I. Juni
1870 über die Abgaben von der Flößerei oder auf Grund des Gesetzes
über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten vom 31. März 1873
gegen den Reichsfiskus erhoben werden;
2. für die Ansprüche gegen Reichsbeamte wegen Ueberschreitung ihrer
amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von
Amtshandlungen.
Der Landesgesetzgebung bleibt überlassen, Ansprüche der Staatsbeamten
gegen den Staat aus ihrem Dienstverhältnisse, Ansprüche gegen den Staat
wegen Verfügungen der Verwaltungsbehörden, wegen Verschuldung von Staats-
beamten und wegen Aufhebung von Privilegien, Ansprüche gegen Beamte wegen
Ueberschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unter-
lassung von Amtshandlungen, sowie Ansprüche in Betreff öffenticher Abgaben
ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes den Landgerichten aus-
schließlich zuzuweisen.
§. 71.
Die Civilkammern find die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor
den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
§. 72.
Die Strafkammern sind zuständig für diejenigen die Voruntersuchung und
deren Ergebnisse betreffenden Entscheidungen, welche nach den Vorschriften der
Strafprozeßordnung von dem Gerichte zu erlassen sind; sie entscheiden über
Beschwerden gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters und des Amtsrichters,
sowie gegen Entscheidungen der Schöffengerichte. Die Bestimmungen über die
Zuständigkeit des Reichsgerichts werden hierdurch nicht berührt.
Die Strafkammern erledigen außerdem die in der Strafprozeßordnung den
Landgerichten zugewiesenen Geschäfte.